….. kurz nachdem wir das Haus Neustadt 35 in 02763 Zittau im Jahr 2014 kaufen konnten, lernte ich Angelika Wünsche aus Zittau kennen. Sie hatte, im Rahmen einer von der Fraueintitiative “FIO” geförderten Maßnahme, 2011 die Gelegenheit, sich mit dem Haus Neustadt 35 intensiver zu beschäftigen.
Ich möchte diese große Fleißarbeit nicht vorenthalten. Und setze sie hier unkommentiert und unverändert ein. Diese Arbeit hat uns ungemein geholfen erste Spuren zu sichern.
Danke Angelika !
Die Quellen sind im Anhang ordentlich angegeben. Sollten jedoch einzelne Teile weiter “copyright” geschützt oder ähnliches sein, bitte ich um Hinweis und ich werde diese Teile oder den Text insgesamt dann evtl. entfernen. Bis dahin aber freue ich mich über reges Interesse und Kommentare.
benjamin pfefferkorn im sept. 2017
Geschichte des Hauses Neustadt 35
Angelika Wünsche, 2011
- Die Lage des Hauses in der Stadt
- Vorwort
- Die Oberlausitz
- Entstehung der Stadt Zittau
- Prinz Wenzel
- Christian Weise
- Liste der Hauseigentümer
- Liste der Bewohner des Hauses
- Der Stadtbrand 1608
- Schlusswort
- Quellenangaben
Haus Nr. 35 im heutigen leider verfallenen Zustand
Die Lage des Hauses in der Stadt
östliche Innenstadt um 1925, Haus Neustadt Nr. 35 (Pfeil)
Ausschnitt aus oberem Bild
Vorwort
Die Bundesrepublik Deutschland ist ein schönes Land, Sachsen ist ein schönes Bundesland, die Oberlausitz ist schön, schön ist das kleinste Mittelgebirge Deutschlands, das Zittauer Bergland, im Dreiländereck von Deutschland, Polen und Tschechien und schön ist die Stadt Zittau, gelegen im äußersten Südosten des deutschen Teils der Oberlausitz und Sachsens und an der Mündung des Flusses Mandau in die Neiße, beides Grenzflüsse zu Polen. Die Landschaft ist durch die Niederung der Mandau geprägt, die um Zittau herum träge dahinfließt und so ihrem aus dem Tschechischen stammenden Namen „die Faule“ alle Ehre macht. Mandau leitet sich im Slawischen von mantava ab und bedeutet „trübes Wasser“.
Heute hat Zittau ca. 29.000 Einwohner. Der Name Zittau wurde vom slawischen Wort zito, auf deutsch Roggen und der ursprünglichen Bedeutung „Land, wo Getreide gedeiht“, abgeleitet. Eine andere Quelle sagt, dass Zittau nach einer wendischen Fürstin Zittavia (oder Zedena, Sidonia, Chytava) (gest. 1021), einer Schwiegertochter des Markgrafen Brumiton zu Ringelheim, benannt wurde. Lausitz leitet sich von Lusica, auf deutsch Sumpfland, ab. Zittau, die „böhmischste“ unter den Oberlausitzer Städten, die bis 1635 zum Königreich Böhmen gehörten, sieht sich heute im Handel und kulturellen Austausch als Brücke zu den zwei Nachbarstaaten.
Zittau hat eine geschichtlich reiche, ca. 800-jährige Vergangenheit, die seit je her von Stadtschreibern, oberlausitzer Geschichtsschreibern und Historikern erfasst wurde. Da jedoch von Beginn der Stadtgeschichte an mehrere verheerende Stadtbrände stattfanden, ging fast sämtliches historisches Material verloren. Vieles heut Bekannte ist aus Erinnerungen und mündlichen Überlieferungen zusammengetragen worden. Deshalb ist mitunter nicht urkundlich belegt, ob sich eine Sache so oder anders zugetragen hat. Der Einfachheit halber schreibe ich manchmal in der Form, als ob sich die Dinge so zugetragen haben, wie ich sie beschrieben habe.
Mit der Historie und Zukunft unserer Stadt beschäftigt sich auch der FIO e.V., damit Erhaltenswürdiges und unter Denkmalschutz stehende Gebäude, auch wertvolle Bauwerke der Gotik, der Renaissance und des Barock, erhalten werden und Neues entstehen kann. Zittau nannte sich einst „Die Reiche und Schöne“, hat einen schönen, für Sachsen nahezu einmaligen klassizistischen und seit 1991 komplett unter Deckmalschutz stehenden Stadtkern, der entlang der alten Stadtmauern aus einem Ring von Grünanlagen umschlossen wird, dem „Grünen Ring“. Mit Recht darf sich Zittau zu den schönsten Städten des Freistaates rechnen. Vieles wurde schon aufwendig saniert, aber viel ist noch zu tun. Leider gibt es noch einen hohen Gebäude- und Wohnungsleerstand, der die Häuser verfallen lässt und somit das schöne Stadtbild beeinträchtigt. Diese Ausführungen sollen mithelfen, dem entgegenzuwirken und die Neugier und das Verständnis für den Erhalt alter Häuser zu wecken.
In die Zittauer Geschichte gingen einige geschichtsträchtige Personen ein. Einige davon sind mit dem Haus Neustadt 35 eng verbunden, so z. B. im 13./14. Jahrhundert König Ottokar II. und dessen Sohn Wenzel II., im 16. Jahrhundert die Familie Wilhelm Nesen und im 17. Jahrhundert die Familie Elias Weise mit dessen Sohn Christian Weise, zu denen noch Ausführungen folgen.
Da jedoch nicht nur die Geschichte des Hauses interessant ist, sondern auch die gesamte Entstehungsgeschichte des Landes, folgt für Interessierte auch eine nähere Abhandlung zur Entstehung der Oberlausitz und der Stadt Zittau.
Die Schreibweisen von Namen erfolgten früher sehr unterschiedlich, weil es noch keine einheitliche Rechtschreibung gab.
Die Oberlausitz
Die Oberlausitz, so benannt seit dem 16. Jahrhundert, ist das Ergebnis einer mehrere Jahrhunderte andauernden Entwicklung in verschiedenen ursprünglich slawischen Landschaften westlich und östlich der Neiße. Der Ursprung lag im Gebiet westlich der Neiße um Bautzen und Görlitz. Archäologische Funde belegen die Besiedlung des Zittauer Gebietes bereits in der Stein- und in der Bronzezeit. Im Zittauer Stadtgebiet, z. B. 1801 am Bautzener Tor und 1891 auf den Kaiserfeldern südlich der Stadt, fand man auch Funde aus der frühen Eisenzeit (ca. 1300 – 400 v.u.Z.). Während der Zeit der Völkerwanderung ließen sich germanische Siedler in südlicheren Regionen nieder. Im 6. Jahrhundert siedelten sich Sorben (Wenden) (westslawische Bewohner) bis an die Elbe und Saale an. Die Niederlausitz wurde vom sorbischen Stamm Milzane (Milzener) in der Gegend um Bautzen und von den Lunsizi nordöstlich davon besiedelt (die beiden gehörten zu den größten Stämmen), die Besunzane besiedelten die Gegend um Görlitz und die Poritschane („Flußleute“) das Zittauer Land zwischen Mandau und Neiße. Die Stammesburg der Sorben könnte sich etwa bei Poritsch oder Grottau befunden haben. In den einzelnen Dörfern könnten aber auch noch kleinere sogenannte Fliehburgen bestanden haben.
Der Name „Sorben“ (Sichelträger) deutet darauf hin, dass sie fleißige Ackerbauern waren. Ihre hölzernen Hakenpflüge eigneten sich jedoch nur zur Bearbeitung leichterer Ackerböden in der nördlichen Lausitzer Tiefebene, in die südlich gelegenen Gebirgsgegenden mit ihren steinigen Böden drangen sie nur vereinzelt vor.
Aus Siedlungsresten der Sorben erkannte man kleine Dörfer in Rundlingsform. Die Bauernhäuser standen dichtgedrängt und waren mit einem Giebel zum Dorfplatz ausgerichtet, in dessen Mitte sich der Dorfteich befand. Wurde der Eingang des Dorfes verschlossen, bildete es eine Art Burg. Das Vieh trieb man abends zum Schutz vor Raubtieren und Dieben hinein.
Auf einer Völkertafel, die wahrscheinlich für Missionszwecke beim sogenannten Baierischen Geographen vermutlich im späten 9. Jahrhundert in Regensburg im Kloster St. Emmeram entstanden ist, werden die Milzane, ein slawischer Völkerstamm, mit 30 civitates erwähnt. Unter civitates versteht man Burgen, denen die Funktion von Siedlungs- und Kultmittelpunkten zukam. Als civitas wurde bis zum 12. Jahrhundert ein Hauptort bezeichnet. Erst seit dem 13. Jahrhundert ist dieser Begriff in der Bedeutung von „Stadt“ zulässig.
Im Jahr 928 besiegte Heinrich I. die Slawen im heutigen Sachsen und gründete die Burg und Markgrafschaft Meißen. Die Milzener der Lausitz mussten ihm von da an Tribut zahlen. Kaiser Otto I. gründete 958 die Ortenburg in Budissin (Bautzen) zur Niederhaltung der Sorben. Der Kaiser und seine Nachfolger verliehen den deutschen Rittern als Dank für ihre Kriegsdienste die eroberten Ländereien als Lehen (leihen, geliehenes Gut, vgl. heute Darlehen) (siehe folgender Absatz), verbunden mit umfangreichen Privilegien (Gerichtsbarkeit, Brau- und Schankrecht, Recht zum Betrieb einer Mühle usw.).
Das Lehnswesen war ein politisch-ökonomisches System und bildete die Grundlage der mittelalterlichen Gesellschaftsordnung. Oberster Lehnsherr war der jeweilige oberste Landesherr, König oder Herzog, der Lehen an seine Fürsten vergab, diese wiederum an andere Adelige, die oft in der Adelshierarchie unter dem Lehnsgeber standen. Der Lehnsherr war der rechtliche Eigentümer von Grund und Boden, der im Gegensatz zum Geld reichlich vorhanden war, oder bestimmter Rechte und verlieh diese dem Lehnsempfänger (Vasall – Lehnsmann, vassus, vasallus = der Knecht) auf Lebenszeit. Dafür musste der Lehnsempfänger dem Lehnsherrn einen Pachtzins entrichten, zum Teil in Geld oder Naturalien oder auch in Form von Mähen, Dreschen, Transport- und Botendiensten und Kriegsdienst, bzw. auch persönliche Dienste leisten, z B. Halten des Steigbügels, Begleitung bei festlichen Anlässen und Dienst als Mundschenk bei der Festtafel. Beide verpflichteten sich zu gegenseitiger Treue und Achtung – der Lehnsempfänger zu Rat und Hilfe und der Lehnsherr zu Schutz und Schirm, er durfte seinen Lehnsempfänger nicht schlagen, demütigen oder sich an seiner Frau oder Tochter vergreifen. Brach der Lehnsherr die Regeln, verlor er sein Obereigentum. Land wurde auch ohne Gegenleistung verliehen, etwa unter Zwang oder um jemandem einen Gefallen zu tun. Der Lehnsgeber blieb zwar der Eigentümer, war aber kein Nutznießer mehr.
Im 12. Jahrhundert besetzten die deutschen Ritter ihre Lehen mit freien Bauern aus Franken, Thüringen, Schwaben und den Niederlanden (Flamen) und teilten das Land in soviel Hufen (siehe folgender Absatz), wie Bauernfamilien angesiedelt wurden. Ein Teil des vom Lehnsherren zur Verfügung gestellten Landes wurde zum Bau einer Kirche, als „Pfarrwiedemut“ zum Lebensunterhalt eines Pfarrers oder als öffentliches Weideland genutzt. Der Gemeindehirte trieb das Vieh der Siedler über den in vielen Orten namensmäßig noch vorhandenen „Viebig“ (Viehweg) auf die öffentliche Weide. Im 13. Jahrhundert ging die Bedeutung des Lehnswesens zurück, da anstelle von Vasallen nun Dienstmannen, gut ausgebildete Männer, eingestellt wurden. In Deutschland erfolgte die Auflösung des Lehnsverbandes 1849.
Die Hufe ist ein altes, relativ großes Flächenmaß vom Anfang des 9. bis ins 19. Jahrhundert, es beträgt 30 Morgen, d.h. ca. 6 – 18 Hektar, wich aber in verschiedenen Gegenden von diesem Wert ab. Das Wort Hufe bezeichnet ein landwirtschaftliches Gut, das mit einem Pflug bestellt werden kann und demnach der Arbeitskraft einer Familie entspricht. Großbauern konnten mit Hilfe von vielen Knechten und mehreren Zugtiergespannen auch 60 oder gar 120 Morgen bewirtschaften.
Die Wörter Hufe und auch Hof sind vom im 12. Jahrhundert lati(ei)nisierten deutschen Wort Huba = Fläche abgeleitet. Auch der Huf der Pferde gehört in diese Wortfamilie. Im Englischen entsprach nach 1066 eine Hufe der Flächeneinheit Oxgang. Ein Oxgang entspricht der Ackerfläche, die ein einziges Ochsengespann im Frühjahr beim Pflügen bewältigen kann. In neu gegründeten Dörfern stehen die Hofgebäude entlang der zentralen Dorfstraße sehr nahe beieinander. Hinter den Häusern besaß jede Bauernfamilie ihre bis zu fast zweieinhalb Kilometer langen, schmalen Agrarflächen (siehe nachfolgende Abbildung), zum Teil mit Wald. Daher gibt es auch den Begriff Waldhufendörfer. Die Hufe blieb in den preußischen Ostgebieten des Deutschen Reiches und in Ostdeutschland bis zur Übernahme des metrischen Systems am 01.01.1872 erhalten.
Solche Hufenfelder entstanden entlang der Siedlung Sitte, was heute noch am Verlauf der Straßen, z. B. Heinrich-Mann-Str., Rietschelstr., Tongasse, Friedrich-Haupt-Str., Rathenaustr., Dr.-Friedrichs-Str., von-Ossietzky-Str., Marschnerstr., Bahnhofstr., Lessingstr., Schillerstr., Goethestr., Dornspachstr., Komturstr., erkennbar ist.
Im 10. Jahrhundert bestand in Magdeburg eine Burgwardorganisation, die mit Umstrukturierungen im Zusammenhang mit der Erhebung Magdeburgs zur Metropolitankirche, d.h. zum Erzbistum, verbunden war. Bei diesen Burgwarden handelt es sich um deutsche Neuschöpfungen und hatten eine völlige Neuordnung und Umgestaltung des betreffenden Gebietes zur Folge, sogenannte Ausbaugebiete, die gerodet wurden.
Im Rahmen eines großangelegten Landesausbaus sollte das Hochstift Meißen im Jahr 1007 „kirchliche Siedlung als Grenzschutz“ betreiben, wie sie im Laufe des 12. und 13. Jahrhunderts durch die Ansetzung von Zisterziensern in Gebieten, deren politische Geographie noch offenstand, praktiziert wurde. So eine Organisation wurde im 11. Jahrhundert auch im Milzenerland eingeführt.
Das Land Bautzen diente als Aufmarsch- und Durchzugsgebiet bei Feldzügen. Deshalb ließ der böhmische Herzog Sobeslav I. zwischen 1126 und 1131 eine Reihe von Burgen in Westböhmen und der östlichen Mark Meißen verstärken bzw. neu errichten, darunter auch Görlitz an der Neiße. Im Jahr 1126 fand bei Kulm eine Schlacht zwischen dem sächsischen König Lothar III. und dem böhmischen Herzog Vladislav statt. In deren Ergebnis gehörten die böhmischen Herzöge zu den zuverlässigsten Bündnispartnern des deutschen Königs.
1158 wurde Herzog Vladislav auch König von Böhmen und nahm die höchste Stellung unter den weltlichen Reichsfürsten ein. Diese neue Würde galt von nun ab für alle Mitglieder der Dynastie, der Premysliden, die bis zu ihrem Aussterben 1306 sowohl Reichsfürsten als auch Könige von Böhmen waren (siehe auch unter Wenzel II). Die Premysliden waren böhmische Herrscher und bestimmten zunächst für ein ganzes Jahrhundert die Geschichte des Landes Bautzen. 1172 trat Vladislav zugunsten der Thronfolge seines ältesten Sohnes Friedrich zurück, der jedoch nicht König wurde. So gab es bis 1198 keinen böhmischen König mehr. Da erst ernannte König Philipp von Schwaben den mittleren Sohn von Vladislav, den Premysl Otakar I., zum König (bis 1230).
Eine Anwesenheit des böhmischen Königs Otakar I. in der Oberlausitz ist schon zum Jahr 1213 belegt. Da beschloss er in Bautzen mit dem Meißner Bischof Bruno II. die Gründung eines Kollegiatstifts. Als königliche Amtsträger wurden Burggrafen und Vögte – advocati genannt – eingesetzt. Solche advocati (Landrichter) amtierten als höchste Beamte des böhmischen Königs und verwalteten das Reichsgut und leiteten das Landgericht in der gesamten Oberlausitz (auch in Löbau). (Advocat heißt heute noch auf deutsch Rechtsanwalt.)
Neben den advocati gab es dann auch die villici, die Verwalter von größeren königlichen böhmischen Güterkomplexen. „Die in Bautzen agierenden Personen entstammten ausschließlich dem böhmischen, teilweise dem mährischen Adel (nobilitas). Darunter befanden sich sogar die höchsten Würdenträger des böhmischen Königs, darunter der Truchseß. Dabei handelt es sich ausschließlich um Landfremde. In einzelnen Fällen wurden solche Burggrafen zu Begründern von Oberlausitzer Herrschaften, so auch die Brüder Heinricus und Chastelaw (Heinrich und Castolov), die vom Adelsgeschlecht von Leipa abstammen, um 1240 Zittauer Burggrafen waren und sich die Herren von Zittau nannten.
Premysl Otakar I. betrieb im Umkreis von Bautzen einen regen Landesausbau und aktive Siedlungspolitik. Der Meißner Bischof Bruno II. von Meißen gründete zwischen 1213 und 1218 bei der Bautzener Pfarrkirche St. Johannis ein Kollegiatstift, welches Otakar I. 1220 in seinen Schutz nahm und seinen Vasallen und Edlen gestattete, dem Stift Land zu übertragen. Zwischen dem Meißner Bischof Bruno II. und den Königen Premysl Otakar I. und Wenzel I. gab es in den Jahren um 1227 Streit wegen der Abgrenzung der bischöflichen und königlichen Besitzungen in den Ländern Budissin und Zagost, die friedlich beigelegt wurden. Bruno wurde wegen seiner rücksichtslosen Vorgehensweise 1228 abgesetzt und starb in diesem Jahr. Die böhmische Königin Kunigunde (gest. 1248), Tochter des Staufers (Adelsgeschlecht) Philipp von Schwaben und seit 1207 Gemahlin des böhmischen Königs Wenzel I., entfaltete in der Oberlausitz eine rege Tätigkeit und stiftete 1234 das Zisterzienserinnenkloster Marienthal bei Ostritz. Damit schufen sich die böhmischen Könige ein weiteres Standbein im Gebiet südlich von Görlitz. Wenzel I. förderte die Ansiedlung von Deutschen in Böhmen und Mähren, um die Landwirtschaft und den Bergbau zu forcieren. Unter ihm entstanden einige königliche Städte und Burgen, er ließ die Dörfer Dobra, Dürröhrsdorf und Helmsdorf vermutlich selbst anlegen nach deutschem Recht (Begriff Dorf) und übereignete dem Kloster Marienthal eine Kirche und einen Wald. Marienthal gehörte seit 1244 zum Prager Bistum. Noch 1833 gehörten dem Kloster Marienthal mehr als 25 Ortschaften und Ortsteile mit insgesamt 16.000 Untertanen.
Das Zittauer Land mit seiner Ansiedlung gehörte bereits im 11. Jahrhundert zu Böhmen. Die älteste schriftliche Erwähnung des Zittauer Landes erfolgte in einer Urkunde des Klosters St. Marienthal am 14.10.1234. Königin Cunegundis von Böhmen schenkt dem Zisterziensorden für das Kloster St. Marienthal und seine Nonnen das Dorf Syfridistorph und schreibt dies in einer Urkunde fest.
Um 1250 gab es Auseinandersetzungen zwischen König Wenzel I. und dessen Sohn Premysl Otakar I., seit 1247 Markgraf von Mähren, einerseits sowie dem böhmischen Adel andererseits. Wenzel I. entglitten zunehmend die Regierungsgeschäfte, was Otakar I. ausnutzte und dessen Amtsträger durch eigene Gefolgsleute ersetzte, so durch den Olmützer Burggraf Crh und dessen Bruder Castolov, die bereits 1236 als die Brüder von Bautzen galten.
Nach dem Tod König Wenzels I. 1253 fiel die Oberlausitz an die brandenburgischen Askanier. Dabei ist bis heute nicht genau geklärt, ob dies durch die schon um 1243 erfolgte Hochzeit Ottos III. von Brandenburg mit der Tochter Wenzels I., der böhmischen Prinzessin Beatrix, geschah oder ob die Oberlausitz von 1253 bis 1319 nur als Pfand diente. In einer Urkunde des Meißner Bischofs Witego von 1272 wird auf den böhmischen König (Premysl Ottokar II.) Bezug genommen. Im Juni 1262 urkundete Ottokar II. erstmals für die Oberlausitz und hier wiederum für Marienthal.
Wenzel I. wird als Sonderling beschrieben und verlor einmal bei einer Jagd ein Auge und bekam den Beinamen „der Einäugige“
Nach dem Übergang des Landes Bautzen an die Brandenburgischen Markgrafen zwischen 1253 und 1262 bliebenStadt und Land Zittau bei der Krone Böhmen. Zittau nahm jetzt die Stelle ein, die zuvor die civitas Bautzen für die böhmischen Herrscher im äußersten Norden des böhmischen Königreichs besessen hatte und wurde in der Folgezeit von den böhmischen Herrschern besonders häufig privilegiert. Den Anfang machte 1255 König Premysl Ottokar II., er ließ Zittau befestigen, erhob Zittau zur königlichen Stadt und befreite die Stadt für die Dauer seines Lebens von Steuern und die Zittauer Kaufleute vom Zoll in ganz Böhmen und förderte den Landesausbau. 1266 wurde Ottokar II. von König Richard zum Reichsvikar der Gebiete östlich des Rheins ernannt.
1346 schlossen sich mehrere Städte und Zittau zum Sechsstädtebund zusammen, und 1412 erreichte die wirtschaftliche Entwicklung einen Höhepunkt. Mit König Wenzel (nicht Wenzel II.!), Sohn und Nachfolger vom Kaiser Karl IV., zog die Landvogtei in Zittau ein und übertrug sie dem Landvogt der Oberlausitz in Bautzen. Damit war Zittau von Böhmen losgelöst und mit der Oberlausitz vereinigt.
Die Präsenz Ottokar II. wurde sogar noch im Jahr 1345 durch die Nennung der im königlichen Wald bei Zittau ansässigen Förster hervorgehoben, die als königliche Amtsträger die Aufsicht über den königlichen Forst im Gebiet von Zittau führten, den König Johann von Böhmen damals den Bürgern von Zittau geschenkt hatte.
König Ottokar II., ohne Jahresangabe
König Ottokar II., ohne Jahresangabe
Er wurde 1230/1232 (verschiedene Angaben) als Sohn des Wenzel I., König und Herzog von Böhmen (geb. 1205 in Prag, gest. am 22.09.1253 auf seinem Hof Pocaply bei Beroun) und der Stauferin (schwäbisches Adelsgeschlecht) Kunigunde von Schwaben (geb. 1199, gest. 13.09.1248) geboren.
Er hatte einen Bruder Vladislav III. (geb. um 1228, Markgraf von Mähren), eine Schwester Beatrix (geb. um 1225, gest. 27.05.1290, verh. 1243 mit Markgrafen Otto III. von Brandenburg), eine Schwester Agnes (geb. 1245, gest. 10.10.1268, Markgräfin von Meißen, verh. 1244 mit Heinrich Markgraf von Meißen) und eine bereits im Kindesalter verstorbene, namentlich nicht bekannte Schwester.
Ottokar II. sollte ursprünglich zum kirchlichen Verwalter erzogen werden, aber als 1247 sein Bruder Vladislav III. starb, ging dessen Erbe auf Ottokar II. über und er wurde am 31.12.1247 zum „jüngeren“ König erhoben. Von diesem plötzlichen Tod war Ottokar II. so sehr schockiert, dass er sich zunächst kaum dem Regieren widmete, sondern eher der Jagd und Saufgelagen auf seinen Jagdschlössern. 1248 stand er im Konflikt mit seinem Vater und führte einen Aufruhr gegen ihn und dessen Herrschaft an. Hier erhielt er den Spitznamen „der jüngere König“. Nur mit Mühe und Hilfe außerböhmischer Freunde konnte dieser Streit erst nach zweijährigen bewaffneten Auseinandersetzungen zugunsten Wenzels I. beigelegt werden. Wenzel I. fiel 1250 in Österreich ein (oder wurde gerufen), setzte Ottokar II. als Statt(dt)halter ein und schloss mit ihm einen Friedensvertrag, wodurch Ottokar II. 1251 zum mährischen Markgraf und Herzog von Österreich wurde.
Am 11.02.1252 heiratete Ottokar II. die gut dreißig Jahre ältere Margarete von Babenberg, Österreich, (geb. 1205, gest. 1267), Witwe des Königs Heinrich VII. und Schwester des Babenherzogs Friedrich II., weil die Babenberger in männlicher Linie ausgestorben waren und Ottokar II. der böhmischen Forderung auf das Erbe dieser Linie gerecht werden wollte. Im Juli 1260 schlug er in einer Schlacht die Ungarn und erhielt den Besitz und die Herzogwürde der Steiermark. Um diese Einigung zu bekräftigen, ließ er sich von Margarete scheiden und heiratete 1261 Kunigunde von Tschernigow, Machow, (geb. 1246, gest. 1285), eine Enkelin von König Bélas IV. von Ungarn.
Ottokar II. war ab 1253, nachdem sein Vater starb, auch König von Böhmen, ab 1261 Herzog der Steiermark und ab 1269 Herzog von Kärnten und Krain. Damit hatte er eine für einen Premysliden zuvor und später nie erreichte Machtfülle als Reichs- und Kurfürst erlangt. Er bewarb sich sogar 1256 und 1273 um die Krone des Heiligen Römischen Reiches, wo er aber an der Wahl nicht persönlich teilnahm, sondern davon überzeugt war, dass sein Reichtum genügen würde, um diesen Titel übertragen zu bekommen. Zu seinen Ehren erhielt z. B. das 1255 gegründete Königsberg seinen Namen. Ottokar II. unternahm mehrere Kreuzzüge, förderte die Einwanderung der Deutschen in Böhmen und Mähren und gründete zahlreiche Städte. Ottokar war ehrgeizig, ungeduldig und wurde später auch der „eiserne“ und „goldene“ König genannt.
Einflussbereich Ottokar II. zwischen 1253 und 1271
Vielen Kurfürsten wurde Ottokar II. zu mächtig und sie wählten deshalb 1273 einen neuen König im Reich, den vermeintlich „armen Grafen“ Rudolf von Habsburg. Ottokar II. erkannte die Wahl nicht an. Er sollte angeeignete Reichsterritorien und eigenmächtig besetzte Reichslehen wieder herausgeben, was er verweigerte. In einer Reichsgerichtsverhandlung unterlag Ottokar II. und verlor die letzte Unterstützung im Reich, in den benachbarten Territorien und teilweise vom Adel. Es brach sogar ein Aufstand aus und Ottokar II. war gezwungen, 1276 auf alle Erwerbungen zu verzichten, bis auf Böhmen und Mähren. Er wollte seinen Herrschaftsraum mit Waffengewalt wieder herstellen und wurde am 25.08.1278 in der Schlacht bei Dürnkrut auf dem Marchfeld (Niederösterreich) von Rudolf von Habsburg und den verbündeten Ungarn geschlagen und unmittelbar nach der Schlacht noch auf dem Schlachtfeld auf der Flucht getötet (siehe nachfolgendes Bild von Josef Mathauser, 1846 – 1917).
Tod von König Ottokar II. auf dem Schlachtfeld bei Dürnkrut 1278
Die erste Ehe von Ottokar II. mit Margarete von Babenberg blieb kinderlos. Mit der zweiten Ehefrau Kunigunde hatte er 4 Kinder: Heinrich (geb. 1262, gest. 1263), Kunigunde (geb. 1265, gest. 27.11.1312), Agnes (geb. 1269, gest. 1296) und Wenzel (Prinz Wenzel, später König Wenzel II.) (geb. 1271, gest. 1305). Mit der Hofdame Anna (Margarete?, Agnes?) von Chuenring hatte er 7 illegitime Kinder: Nikolaus (geb. 1254/5, gest. 25.07.1318), Johann (Probst bis 1296), Agnes (keine Angaben), eine Tochter (ohne Angaben), eine Tochter (verh. ca. 1276), Elisabeth (verh.) und eine Tochter (verh. 1277).
Ab diesem Zeitraum wird auf die weitere Entwicklung der Oberlausitz hier nicht mehr eingegangen.
Entstehung der Stadt Zittau
Im Mittelalter führte eine (von zwei) alte Handelsstraße über das Lausitzer Gebirge, entlang des heutigen Zittauer Westparks – die heutige Äußere Weberstraße, nach Leipa in Böhmen. Im Gebiet des Westparks befand sich ein sorbischer Weiler (Sorben sind westslawische Bewohner). Ein Weiler ist eine aus wenigen Gebäuden bestehende Wohnsiedlung, die größer als eine Einzelsiedlung (z. B. Gehöft, Mühle, Gasthaus), aber kleiner als ein Dorf ist, und die keine geschlossene Bebauung und kein Gebäude mit zentraler Funktion (z. B. Kirche, Gasthaus) hat. An dieser Straße unweit des Weilers und noch weit außerhalb der später entstehenden und sich entwickelnden Stadt mit ihren Mauern entstand auf einem Berg, dem heute noch so genannten Burgberg, zwischen dem Burgmühlgraben, der Mandau und dem Burgteich die erste Bebauung des Ortes Zittau mit einer Burg. Diese Stelle markiert ein nach unten gerichteter Pfeil im unteren Bild. Die Burg wurde am Ende des 10. Jahrhunderts, als die erste deutsche Ostexpansion über das slawische Siedlungsgebiet rollte und auch den Zittauer Raum erreichte, von den deutschen Rittern, die dieses Gebiet erobert und vom Kaiser Otto I. zum Dank als Lehen erhielten, als Herrensitz gebaut (siehe S. 3 u. 4).
„Zittau um 1238 – drei Siedlungen an der Stelle des heutigen Zittau“ (hell eingezeichnete Häuser, die dunklen Striche markieren die spätere Stadt)
(Quelle: Städtisches Museum Zittau, Zeichnung auf Holztafel)
Der Lehnsherr hatte das Recht zur Ernennung des Richters, dessen Amt auch den Betrieb eines Kretschams (böhmisch Krema (auf deutsch Gasthaus), Karczam = das Gericht) und einer Mühle beinhaltete. Es war Sitte, Kretscham und Mühle außerhalb einer Stadtbefestigung zu errichten, wo sie aber zu ungeschützt und dem umherstreifenden Raubgesindel ausgeliefert waren. Zum Schutz jedoch baute man sie in Rufweite der Burg. Diese Burgmühle als Haus existiert heute noch, aber ohne Mühlrad. Der Gebirgskretscham war ein wichtiger Rastplatz und Nachtlager für Fuhrleute, Händler und Reisende, die den beschwerlichen Weg über die Gebirgspässe von und nach Böhmen und dann weiter nach Schlesien, Leipzig oder Nürnberg nahmen, und bot Schutz vor dem Raubgesindel und vor Bären, Luchsen und Wölfen, die bis ins 17. Jahrhundert nicht selten waren. Heute steht an dieser Stelle die heutige Gaststätte „Burgteich“ mit Gondelfahrt. Am Westpark zeugen heute noch die Straßennamen Am Burgmühlgraben, Alte Burgstraße und Neue Burgstraße von den alten Zeiten.
Noch im Jahr 1778 war der Burgberg so groß, dass man dort 32 Kanonen aufstellen konnte. In späteren Jahren wurden diese Burg und der Berg von Zittauer Kleingärtnern der Freudenhöhe abgetragen und als Baumaterial für ihre Gärten benutzt. Nur ein winziger Hügel, der selbst für eine Schlittenfahrt zu klein ist, blieb übrig, worauf heute noch ein schlichter Gedenkstein mit der Innschrift „Hier entstand Zittau“ an die erste Besiedlung erinnert.
In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, während der zweiten deutschen Ostexpansion, wanderten deutsche Siedler von Norden her in das Vorland des Zittauer Gebirges ein, wo sie mehrere Waldhufendörfer anlegten. Östlich des Westparks, im Bereich der heutigen Äußeren Weberstraße in Richtung der heutigen Stadt (im obigen Bild Pfeil nach rechts), der Inneren Weberstraße, Frauenstraße, Rosa-Luxemburg-Straße bis zur Görlitzer Straße gründeten sie Anfang und Mitte des 13. Jahrhunderts ein Waldhufendorf namens Sitte (von Sittavia hergeleitet), wurde noch lange Zeit die „alte Sitte“ genannt) und eine weitere Hufensiedlung im Osten der Stadt bei der Frauenkirche, das Herrendorf (im obigen Bild Pfeil nach oben), genannt nach den Herren des Johanniterordens, der zu jener Zeit dort einen Komturhof gründete.
Zwischen den beiden Siedlungen Sitte und Herrendorf, im Gebiet des Marktplatzes, wuchs zu jener Zeit ein Handelsplatz und eine von den deutschen Siedlern angelegte städtische Siedlung Sittavia (im obigen Bild dicker Pfeil in der Mitte) heran. Aus Hochwasserschutzgründen entstand die Siedlung nicht am Burgberg, sondern weiter östlich und höher gelegen.
Die erste schriftliche Erwähnung der Siedlung Zittau erfolgte am 21.06.1238 in einer Urkunde des Klosters St. Marienthal, in der es um einen Gründertausch zwischen König Wenzel I. und der Johanniterniederlassung Prag geht. Hier traten die Burgherren Brüder Castolov und Henricus von Sitavia als Zeugen auf.
Um 1215 entwickelte sich unter König Ottokar I. diese städtische Ansiedlung Sittavia weiter zum Marktflecken Vor-Zittau mit einer ersten Wehrmauer. (Palisaden) (laut Aufzeichnungen des alten Zittauer Geschichtsschreibers Johann von Guben, der seit 1363 tätig wurde) (nachfolgende Zeichnung).
Der Begriff Wehrmauer ist irritierend, da dies keine Mauer aus Stein war. Diese Ansiedlungen bestanden nach der Art böhmischer Rittersitze aus einigen einfachen Gebäuden aus Holz und Lehm, die durch einen umlaufenden Erdwall mit Zaun oder Palisaden geschützt wurden. (Quelle: „Zittau – Enzyklopädie“, PlusPedia)
Rekonstruktion einer mittelalterlichen Palisade, von Düppel
Der Verlauf des Marktfleckens mit Palisaden war so: „die Gasse Wend hinter der Creutziger Hof zu dem Weber-Thore und von dem Weber-Thore bis zu der Judenburg gerichte zu der Clobin-Gasse hinter den Fleischbäncken, ob den neuen Marckt, wieder zu der Creutziger Hof“. „dieselben Wohnungen ward umzäumet, mit viel Zeumen“. Die Worte „ob den neuen Marckt“ haben bedeutet: ohne dem neuen Markt, sprich ohne Neustadt. Die Palisaden standen hinter den Fleischbänken, dann nach links die Reichenberger Str. entlang, über den Rathausplatz, die Brüderstr. hoch und wieder zum Kreuzkirchhof. Der „neue Marckt“, um diese Zeit auch Neumarkt genannt, hatte nichts mit dem eigentlichen Marktplatz innerhalb der Palisaden, also in der (nun) „Stadt“ zu tun und entstand außerhalb der Palisaden als Handelsplatz. Dieser Neumarkt wurde nach und nach ringsherum mit Häusern (Holz) bebaut.
Die Siedlung Sittavia, gelegen an zwei nach Prag führenden, alten Handelswegen, der Gabler Straße (Lückendorfer Pass) und die Leipaer (Liperecer) Straße (überquerte das Gebirge beim Oybin), lag damals an strategisch günstiger Position zwischen Böhmen und der gerade brandenburgischen Oberlausitz. Ottokar II. wurde 1247 zum „jüngeren König“ gewählt. Danach (keine genaue Zeit angegeben) durchquerte er während eines Kreuzzuges nach Ostpreußen in Begleitung des Markgrafen Otto von Brandenburg und des Bischofs Bruno von Olmütz die (um 1215 unter Ottokar I. gegründete) Siedlung Sittavia mit Palisaden. Ottokar II. (laut Guben) ritt ganz nah an den Palisaden um die Stadt herum und „prüfete und merckte die fruchtbare Gelegenheit dieser“ Siedlung „und satzt aus diese“ Siedlung zur „Stadt“. Das heißt, dass er das Stadtrecht verlieh, aber noch keine Privilegien.
Etliche Zeit später, wahrscheinlich 1254, bestand sein Anliegen darin, eine starke, wehrhafte Siedlung als Schutz gegen eventuelle Überfälle auf das böhmische Kernland zu haben und auszubauen. Da stellte Ottokar fest, dass es mehr und mehr Einwohner und Gäste wurden, und er überlegte, wie er die Stadt erweitern und ummauern lassen kann.
Dann, 1255, erhob Ottokar II. die „Stadt“ zur königlichen Stadt und begab sich mit einem Pferd und Pflug sowie Gefolge, vielleicht auch mit den Herren Henricus und Castolaus von Zittau, auf einen zweiten Umritt um die Stadt (folgendes Bild), der aber in alle Himmelsrichtungen viel weiter gefasst war als der erste, und bestimmte, dass in der entstandenen Ackerfurche mit einem Umkreis von 2956 Schritt die neue, weitere Stadtgrenze verläuft – der heutige Altstadtkern mit der Neustadt innerhalb des Grünen Ringes.
König Ottokar II. bestimmt durch seinen Umritt den Umfang Zittaus.
Ausschnitt (Hauptbild) aus einem mehrteiligen Gedenkblatt zum 600jährigen Jubiläum der Stadt Zittau 1855, Kolorierte Lithographie von Gustav Berthold, Schriftsteller und Maler aus Oberoderwitz (10.02.1818 – 14.03.1894)
Seine Gefolgsherren hatten Bedenken, dass die neue Stadtgrenze zu weit gezogen sei. Der König antwortete, dass er die Stadt mit verschiedenen Rechten begnaden und mit mehr Einwohnern besetzen wolle. So verlieh König Ottokar II. der Stadt Zittau einige Privilegien: Er gewährte der Stadt bis zum Ende seiner Lebenszeit Steuerfreiheit, er erließ den Zittauer Kaufleuten im Handel mit Böhmen jeglichen Zoll, stattet Zittau mit einem Landgericht aus und erteilte das Recht, Münzen zu prägen. Dieses Recht musste im Jahr 1300 König Wenzel II. an die böhmische Silberstadt Kuttenberg (Kutnàttora) verleihen. König Ottokar II. verlieh weiterhin das Markt-, das Stapel- und das Braurecht sowie das Recht zur Ernennung von Handwerkern. Das Stapelrecht sagt aus, dass die in Zittau ankommenden Waren zuerst den Zittauer Stadtbürgern angeboten werden mussten, bevor die Landbevölkerung kaufen durfte. Diese Vorteile ermöglichten Zittau ein rasches Aufblühen als Handelsstadt, und der Transithandel, das Tuchmacherhandwerk, die Leineweberei und Bierbrauerei brachten baldigen Reichtum. Schon in den Jahren von 1270 bis 1280 konnten als Beweis für den Wohlstand große Turniere abgehalten werden.
Danach, 1255, eine Quelle sagt sogar erst 1263, begann eine rege Bautätigkeit zur Errichtung der steinernen Ringmauer, die im Laufe der nächsten ca. 20 Jahre mit 10 m Höhe, 3 m Breite, 13 Basteien (Bastionen), 11 Türmen und 4 Stadttoren fertiggestellt wurde (Bauzeit: 1255 – 1273/77/78) (siehe nachfolgendes Bild). Einige Zeit nach dem siebenjährigen Krieg beschloss man, sie wieder abzutragen. Damit wurde 1820 begonnen, was bis 1869 andauerte.
Christian Weise schrieb 1686 ein Geschichtsdrama „Historie vom König Wenzel“, in welchem er sich zur Stadtgründung von Ottokar II. so äußerte:
„… diese Gegend auff dem Zittauischen Gebürge zu bekrönen pflegt. Das ist die Gegend / darein sich der tapffre König OTTOCARUS verliebte / daß er auch an dem Zusammenflusse der Mendau und der Neisse eine Stadt wolte gebauet wissen. Das ist die Gegend / da sich dessen königlicher Sohn WENCESLAUS mit grössrer Gnade gewiesen hat. Und es lassen sich die alten Wolthaten desto angenehmer bedencken / je gewisser das Durchlauchtige Chur-Hauß Sachsen dazu gebohren ist / daß die Wohlthaten der alten Zeit jemehr und mehr selten verjünget und PERFECTIONIret werden.“
Die zwanziger Jahre des 18. Jahrhunderts waren die Blütezeit Zittaus. Da gestaltete man das Webertor besonders repräsentativ. Man verstärkte das untere Mauerwerk und setzte einen massiven viereckigen Turm auf. Auf die Ecken der Brüstung wurden 1718 vier vergoldete, große, steinerne Standbilder gesetzt, eine davon war der Stadtgründer König Ottokar II.
Ottokar II. – Ausschnitt aus einem mehrteiligen Gedenkblatt zum 600jährigen Jubiläum der Stadt Zittau von Gustav Berthold, Schriftsteller und Maler aus Oberoderwitz (10.02.1818 – 14.03.1894), 1855
In Erinnerung an den Ritt um die Stadt und den Erlass der Privilegien wird heutzutage zu großen Festen und Jubiläen der Stadt der Zittauer Königszug veranstaltet.
Die Stadt mit Stadtmauer, mit der Neustadt und dem Haus Neustadt Nr. 35 (Pfeil):
„Die Stadt Zittau in Oberlausitz, wie sie anno 1632 vom Obr. Golzen fortificirt worden, samt der Belagerung anno 1643“, Plan der Stadt Zittau, Kupferstich von Matthäus Merian, 1643
Als die Stadt 1255 noch von Palisaden eingezäunt war, entwickelte sich östlich davon ein marktähnlicher Platz, der ursprünglich als Verbindungsstraße zwischen dem Böhmischen Tor im Süden, dem Frauentor im Osten und dem Klosterplatz im Norden diente, noch nicht mit zur Stadt gehörte, den man zu der Zeit Neustadt nannte und um 1300 auch Neumarkt. Auf ihm, auch an dessen Nord-Ost-Seite, befanden sich bereits einfache Wohngebäude, Stallungen und Scheunen aus Holz und Lehm, zu denen Wiesen und Ackerland gehörten, die entstanden sein könnten, als sich die Siedlung Sitte weiter zur Görlitzer Straße hin entwickelte. Zittau hat 4 Stadtviertel, eins davon ist das Frauenviertel, zu dem die Neustadt gehört. Sie gliedert sich in die untere (Salzhaus) und die obere Neustadt. Die Nordseite der oberen Neustadt hat eine interessante Geschichte.
In den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts entstand im Gebiet der Oberlausitz auch die Stadt Leipa an dem alten Handelsweg über das südliche Gebirge, der uralten Hohen Straße. Die Herren von Leipa gingen aus dem böhmischen Adelsgeschlecht Ronow hervor. Ein Abkömmling der Herren von Ronow (Hronovice) und der Begründer des Geschlechts von Leipa war der aus Sittaw stammende je Smil Svetlicky (geb. 1188, um 1205 Herr auf Tuhan, seit 1211 Burggraf von Glatz, gest. 1216).
Seine Söhne waren Heinrich I. (geb. 1216, 1234 Burggraf von Görlitz, nachweislich 06.11.1248 Burggraf von Zittau, gest. 1252) und Castolov I. (geb. 1216/19, Burggraf von Zittau, gest. 1253), er nannte sich auch Castolov de Sittavia. Sie wurden die Herren von Leipa genannt.
Die Familie von Leipa war den Premyslidenkönigen sehr eng verbunden, bekleidete hohe Ämter am böhmischen Hof in Prag und verwaltete das Zittauer Land von 1238 – 1263. Die Brüder Heinrich I. und Castolov I. tauchten in einer Urkunde des Klosters St. Marienthal vom 21.06.1238, in der es um einen Gründertausch zwischen König Wenzel I. und der Johanniterniederlassung Prag geht, als Zeugen auf.
Um 1230 errichteten Heinrich I. und Castolov I. eine Herrschaft in Zittau und waren somit auch die Burggrafen von Zittau und nannten sich die Herren von Zittau.
Heinrich I. war wahrscheinlich der Initiator dafür, dass zwischen 1244 und 1260 die Franziskaner, ein Bettelorden, hierher kamen, wobei die Bedeutung der Stadt wuchs (es heißt, dass sich die Franziskaner nur in Städten ansiedelten).
Heinrich I. hatte einen Sohn: Smilo (geb. u. gest. ?), Ritter von Lichtenburg, der sich noch 1250 Smilo de Sittavia nannte. Er stand beim König Wenzel I. und König Ottokar II. besonders hoch im Ansehen, trat sehr oft in Urkunden als Zeuge auf und repräsentierte auch den Adel des Zittauer Gebietes.
Heinrich I. starb 1252 und Castolov I. 1253.
Der Nachkomme von Heinrich I., Smilo de Sittavia, wirkte aber weiter in Zittau und übernahm das Amt des Burggrafen. Er stand beim König Ottokar II. hoch im Ansehen, wurde in einer Urkunde von 1258 des Königs genannt und trat oft als Zeuge in Urkunden auf.
Mit der Erhebung Zittaus 1255 zur königlichen und landesherrlichen Stadt verlor die Familie von Leipa hier an Bedeutung und gab die Hofstatt (als Stätte des Hofes), aber nicht ihre Anwesenheit hier, auf.
Smilo de Sittavia hatte 2 Söhne: Heinrich II. (geb. 1296, gest. 26.08.1329) und Chwalo (geb. ?). Heinrich II. war seit 1300 oberster Marschall des böhmischen Königreichs. Ihm wurde 1305 kurz vor dem Tod von König Wenzel II. das Land Zittau als Afterlehen übergeben. 1316 kam es zwischen Heinrich II. und König Johann von Böhmen zu Auseinandersetzungen um die Herrschaft, in deren Ergebnis 1319 Johann Stadt und Land Zittau tauschweise erhielt. Heinrich II. war so zwischen 1305 und 1319 der eigentliche Herr des Landes Zittau. Heinrich II. verblieben jedoch in Zittau weiterhin gewisse Lehnrechte und Roßdienste, die nach seinem Tod seinen Verwandten, dem Propst Bertold von Wyschehrad sowie Czenko von Leipa und dessen Brüdern, übertragen und 1339 bestätigt wurden. Heinrich II. blieb dieser Landschaft verbunden, so wurde seine Tochter 1323 Nonne im Zisterzienserinnen-Kloster Marienthal. Ihm gehörte damals auch Olbersdorf, er besaß Zinsanteile in Ekardisdorf (Eckartsberg), die er 1312 an das Kloster Marienthal vermachte. Er war bis 1329, seinem Todesjahr, oberster Kämmerer Böhmens.
Das Geschlecht der von Leipa starb 1682 mit Cenek aus.
An der Stelle, wo heut die Klosterkirche steht, wurde 1109, zu Zeiten Heinrichs II. der Jüngere von Erlenburg (um 1103 – 1123), Markgraf von Meißen, der Ostmark und der Lausitz, das „Kirchlein Sant Niclas“ gebaut. „Sie nahmen ankommende Mönche freundlich auf und gaben ihnen in der ersten Zeit Unterkunft und ihre kleine Hofkapelle (St. Niklas) zur Nutzung für ihre Andachten“. 1206 hatte der Franziskanerorden hier seinen Anfang, und das Kirchlein wurde diesem zugeführt. 1226 erfolgte die Gründung des Predigerordens (Dominikaner). 1244 siedelten sich dort Franziskanermönche, Minderbrüder, an und gründeten eine Niederlassung.
1256 gründete die Familie von Leipa, Zdislaw von Leipa und seine Frau Agnes von Zoyna, Besitzerin von Sittaw und Burg Ronow, hier das Franziskanerkloster. 1268 stifteten sie das Kloster den Franziskanern und schenkten ihnen u. a. ihren Wirtschaftsgarten (jetziger Klostergarten). Dieses Franziskanerkloster wurde 1522 aufgelöst, nachdem sich die Zittauer Bürger schon 1521, mit als erste in Sachsen und Deutschland, für die Reformation eingesetzt hatten. Viele der Mönche blieben hier noch wohnen, der letzte starb 1554.
Die Herren von Zittau wirkten im Franziskanerkloster, hatten aber ihre Wohnstätten, ihren Burggrafenhof, an einer benachbarten Stelle, in Häusern an der Nord-Ost-Seite der Neustadt, an der Stelle, wo sich heute auch das Haus Neustadt Nr. 35 befindet. Deshalb wurde diese Häuserreihe vor und um 1278 die Hofstatt (eine Stätte des Königshofes) genannt, sogar noch bis ins 19. Jahrhundert hinein (mitunter auch Hofstadt geschrieben) (folgendes Bild).
Ausschnitt aus vorigem Bild „Die Stadt Zittau in Oberlausitz, wie sie anno 1632 vom Obr. Golzen fortificirt worden, samt der Belagerung anno 1643“
Die hier angegebenen Nummern sind alte Hausnummern. Bei der Hofstadt müsste die Nr. 201 stehen. Um 1473 bis ca. 1700 nannte man die obere (rechte) Neustadt (heutige Sparkasse) auch Kugelzipfel. Die Schulgasse ist die heutige Schulstraße. Das Goldgäßchen verschwand im Zuge von Abrissarbeiten auf dem Klosterplatz.
Prinz Wenzel
Zur Hofstatt ist überliefert, dass sich Ottokars II. Sohn, Prinz Wenzel, später König Wenzel II., ab dem Spätsommer 1279 für einige Zeit hier aufgehalten haben soll. Es gibt verschiedene Zeitangaben, so z. B. während einer Durchreise, mehrere Monate oder drei Jahre, die alle nicht bewiesen sind.
Der Sohn von Ottokar II. und dessen zweiten Ehefrau Kunigunde von Tschernigow, Prinz Wenzel, wurde am 17.09.1271 auf der Prager Burg geboren und als einziger legitimer Erbe eines Territoriums vom Riesengebirge bis zur Adria sehnsüchtig erwartet.
Prager Burg
Ottokar II. stand mit dem römisch-deutschen König Rudolf I. von Habsburg in Konflikten, woran Ottokars II. Reich zerbrach. 1273 lehnte Ottokar II. dessen Wahl zum König ab und wollte seine Länder nicht als Reichslehen hergeben. 1275 erklärte ihm Rudolf I. die Feindschaft, die 1276 in einem bewaffneten Zusammenstoß eskalierte. Ottokar II. unterlag, verlor alle Territorien, bis auf seine Erbländer Böhmen und Mähren, und musste Rudolf I. zwei Kinder versprechen. Ottokars II. Frau Kunigunde wurde zur Ehefrau für Rudolfs I. Sohn Hartmann bestimmt und Prinz Wenzel sollte eine Tochter von Rudolf I., Guta, heiraten. Wenzel und Guta wurden bereits 1278/79 als Siebenjährige verlobt, möglicherweise auch schon verheiratet. Dennoch verschlechterte sich die Beziehung der beiden Herrscher weiter und endete mit einer Schlacht auf dem Marchfeld bei Dürnkrut (Österreich) am 26.08.1278. Bevor diese Schlacht begann, bestimmte Ottokar II., dass für den Fall, dass er in der Schlacht fallen sollte, sein Neffe, Markgraf Otto IV. von Brandenburg, die Vormundschaft über seinen Sohn Wenzel II. erhalten soll. Ottokar II. wurde dann tatsächlich am Ende der Schlacht noch während seiner Flucht getötet, und Markgraf Otto IV. von Brandenburg erhielt die Vormundschaft über Wenzel.
König Przemysl Ottokars Sohn Wenzel bittet Rudolf von Habsburg um die Leiche seines 1278 in der Schlacht bei Dürnkrut gefallenen Vaters,
von Anton Petter, 1826, Öl auf Leinwand, Wien, Österreichische Galerie
Als mit dem Tod von Ottokar II. ein Machtvakuum in Böhmen entstand, bat die Witwe Kunigunde, die zusammen mit Wenzel II. weit weg von Prag auf Schloss Hradec lebte, Markgraf Otto IV. von Brandenburg um Unterstützung. Otto IV. zog mit Verbündeten und mit einem mehrere hundert Mann starken Heer in Böhmen ein. Dessen Regentschaft entwickelte sich aber schnell zur Schreckensherrschaft, er plünderte das Land, eignete sich königliche Güter an und drangsalierte die Bevölkerung. Wenzel musste seinem Vormund, dem Markgrafen Otto IV. von Brandenburg, der die Vormundschaftskosten sehr hoch berechnete, mehrere Städte und Schlösser, darunter auch Zittau und Oybin, verpfänden. Trotzdem wurde Otto IV. nach Verhandlungen mit Rudolf I. von Habsburg im Oktober 1278 als Vormund für Wenzel und als Herrscher über Böhmen bestätigt. In der Zeit von 1278 – 1283 nahm sich der Kaiser und König Rudolph von Habsburg (1218 – 1291) des bedrängten Prinzen Wenzel an und hob jene Verpfändung wieder auf. Otto IV. hatte nun Kunigunde, den Adel und die Geistlichkeit gegen sich. Es formierte sich Widerstand unter Führung des Burggrafen Zavis von Falckenstein aus dem einflussreichen südböhmischen Geschlecht der Wittigonen. Kunigunde ging mit Zavis ein Liebesverhältnis ein.
Zawisch von Falkenstein
Um seine Macht abzusichern, ließ Otto IV. im Januar 1279 Prinz Wenzel aus Kunigundes Residenz in der Stadt als Geisel in die Prager Burg bringen und am 04.02.1279 zusammen mit Kunigunde auf die Burg Bezdez. Kunigunde wurde nicht als Gefangene gehalten und durfte nach ca. 2 – 3 Monaten ihre Witwengüter in Richtung Troppau aufsuchen. Wenzel blieb in Ottos IV. Gewalt in Bezdez und litt unter der Trennung von der Mutter sehr. Im Spätsommer 1279 brachte Otto IV. Wenzel in die Askanierburg nach Spandau bei Berlin, wo sie Ende Dezember eintrafen und wo er bis 1282 blieb. Diese Reise führte auch über Zittau.
Burg Bezdez
In den Jahren 1281 – 1282 trat eine der schlimmsten Hungersnöte des Mittelalters und großes Chaos im Land Böhmen ein, verursacht durch andauernde Kämpfe und zwei Missernten. Der Adel und die Kirche, Kunigunde und Zavis nahmen im Frühjahr 1282 Verhandlungen mit Otto IV. auf, um den König Wenzel II. wieder zurückzuholen und die bedrohliche Situation abzuwenden. Diese scheiterten aber an der zu hohen Lösegeldforderung von Otto IV in Höhe von 15.000 Pfund Silber. Er brachte Wenzel nach Prag und verlangte noch zusätzliche 20.000 Pfund Silber. Dann wurde Wenzel für ein Jahr nach Dresden an den Hof des Markgrafen von Meißen gebracht. Erst als dem Otto IV. ein Teil Nordböhmens als Pfand versprochen wurde, zog er die brandenburgischen Besatzungstruppen ab und ließ Wenzel im Dezember 1282 wieder frei. Damit ging die Vormundschaft von Otto IV. auf Zavis von Falckenstein über.
Über die Zeit Spätsommer 1279 bis Dezember 1282 werden auch andere Geschichten berichtet, die aber auf sehr vagen Vermutungen basieren. Da Wenzel im Geheimen von einem Ort zum anderen gebracht wurde, wussten die Menschen bald überhaupt nicht mehr, wo sich denn nun Wenzel tatsächlich befindet. So entstand die Geschichte, die nicht urkundlich belegt ist, dass Wenzel während dieser Zeit in Zittau gelebt habe.
Vielleicht war es so, dass Wenzel im Spätsommer 1279 während der Reise nach Spandau mit seinem Vormund, Otto IV., in Zittau Halt machte. In Abständen von einer Tagesreise war man auf ein Nachtlager angewiesen. Wenzel wurde auf der Hofstatt bei der Familie von Leipa, bei Heinrich II. de Zittawia, im Burggrafenhof, der zunächst noch nicht abgerissen war, untergebracht, wohl in dem Haus an der Stelle, wo heute das Haus Neustadt Nr. 35 steht.
Es kann auch anders gewesen sein. Als Otto IV. Wenzel nach seiner Befreiung im Dezember 1282 wieder nach Prag zurückbringen wollte, hat er ihn nicht gleich nach Prag gebracht, sondern zurückbehalten. Damit wollte Otto IV. erreichen, dass seine Lösegeldforderungen erfüllt werden. So hoffte Otto IV. von Monat zu Monat, dass er das Geld bekommen würde und Wenzel nach Prag zurückbringen könnte. Bis dahin hielt er ihn weiter in Gefangenschaft und ließ ihn in Zittau, wahrscheinlich „im Haus Neustadt Nr. 35“, „aufbewahren“ bis zum Mai 1283. Demnach hätte Wenzel ein halbes Jahr hier gelebt. Wenzel war wohl mit der in Zittau verlebten Zeit zufrieden. Das Haus wurde daraufhin mit einer Krone geschmückt, die in späteren Jahren noch vergoldet wurde.
Wenzel kehrte am 24.05.1283 (noch 11-jährig) nach Prag zurück, wo er begeistert gefeiert wurde, aber noch nicht selbständig regieren konnte. Die adlige Gruppe, die sich für seine Freilassung eingesetzt hatte, teilte die höchsten Hofämter untereinander auf. Hofmeister und damit Erzieher und Vertreter des Königs wurde ihr Anführer Purkart von Janowitz. Die Konstellation hatte nur wenige Monate Bestand. Im gleichen Jahr rief Wenzel seine Mutter Kunigunde nach Prag zurück. Sie kam zusammen mit Zawisch von Falkenstein, den sie inzwischen zunächst heimlich geheiratet und einen Sohn Jan von ihm bekommen hatte. Zawisch war nun Wenzels Stiefvater, konnte ihn für sich gewinnen und erzog ihn. Wenzel sah in ihm den Vater, den er nie richtig kennengelernt hatte. (Zwischen 1283 und) 1285 holten sie die offizielle Eheschließung nach, was Wenzel akzeptierte. Damit war Zawisch faktisch zum Herrscher des Landes aufgestiegen und brachte das Land wieder in Ordnung. Zawisch besetzte noch im Winter 1283/84 alle wichtigen Hofposten mit seinen Verwandten und Parteigängern. Die entmachtete Adelsgruppe ging zum bewaffneten Widerstand über, musste aber im Mai 1284 einen vierjährigen Waffenstillstand akzeptieren.
Bald darauf, 1285, starb jedoch Wenzels Mutter, was für ihn ein schrecklicher Schlag war. Er klammerte sich daraufhin noch mehr an Zawisch, der in der Folgezeit eine immer dominantere Rolle spielte. Mit der Zeit traten immer mehr Verschiedenheiten zwischen Zawisch und Wenzel auf, so dass ihr Verhältnis zusehends komplizierter wurde. Zawisch war charismatisch und stolz, und es hieß, dass er es auf die Königskrone abgesehen habe. Das ging Wenzel immer mehr gegen den Strich und beide hatten dann ein recht gespanntes Verhältnis. Wenzel litt an Paranoia und ließ sich von dieser Vorstellung völlig beherrschen.
Der römisch-deutsche König Rudolf I. von Habsburg akzeptierte den Aufsteiger Zawisch von Falkenstein nicht. Deshalb nahm Zawisch 1278/79 auch nicht an einem Treffen der Familien von Wenzel und Guta in Eger (Cheb) teil, als die beiden fast volljährig (fast 14 Jahre alt) waren und die Ehe vollzogen werden konnte. Nach diesem Treffen nahm Rudolf I. Guta wieder mit. Erst im Sommer 1287 zog Guta als Königin mit ihrem Gefolge auf dem Prager Hof ein.
Wenzel II. ca. um 1290
Bei diesem Treffen leistete Wenzel gegenüber seinem Schwiegervater Rudolf I. von Habsburg den Lehnseid für seine Erbländer Böhmen und Mähren.
Ab 1288 nahm Wenzel II. die Regierungsgeschäfte in die eigenen Hände. Eine seiner ersten Amtshandlungen war 1288 eine Verschwörung gegen seinen Stiefvater, Zawisch von Falkenstein, der in diesem Jahr eine neue Ehe eingegangen war und der auf seine Macht nicht verzichten wollte. Wenzel ließ ihn 1289 unter dem Vorwand einer Einladung zur Taufe in die Burg rufen, steckte ihn in den Kerker und ließ ihn 1290 vor der Burg Hluboka (Schloss Frauenburg an der Moldau) durch das Schwert hinrichten. Wenzel war zu tiefst frömmig, er hörte oft um die 20 Messen am Tag, und hatte deshalb an diesem Verrat schwer zu tragen und gründete als Sühne das Zisterzienserkloster und Hauskloster Zbraslav (Königsaal), in dem fortan die Premyslidenkönige bestattet wurden.
Zawisch von Falkensteins Hinrichtung
König Wenzel II. galt als ein schwacher Herrscher, neurotisch bis krankhaft, mit geringem Interesse am Regieren und soll seine eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten überschätzt haben. Dem widerspricht allerdings eine Phase der Ruhe und Stabilität in Mitteleuropa von 1290 bis 1305. Sein politisches Hauptziel war die Festigung und Erweiterung der Macht des Königreiches Böhmen. Dabei ging er äußerst geschickt zu Werke. Er setzte zwar auf militärische Stärke, aber nicht auf Krieg und Eroberung wie seine Vorgänger, sondern auf fachkundige Berater und Diplomatie. Durch seine Großzügigkeit gewann er die Gunst der Kirche und zum böhmischen Adel, woraufhin das Land aufblühte. Er förderte den Landesausbau, den Zuzug von deutschen Handwerkern und Bauern, die er mit Privilegien ausstattete.
Im letzten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts wurden bei Kutna Hora sehr ergiebige Silberadern gefunden, die eine umwälzende Entwicklung des böhmischen Königreiches zur Folge hatten. Er förderte die Silberproduktion und gab zwischen 1300 und 1305 ein Bergrecht in Auftrag, erließ die „Kuttenberger Bergordnung“, die zum Teil bis 1854 gültig blieb.
König Wenzel II. erteilt dem Kuttenberger Bergwerk seine Bergordnung.
Wenzel war bemüht, die Finanzen in Ordnung zu halten und führte 1300 eine Finanz- und Münzreform durch, ließ den neuen „Prager Groschen“ prägen, der auch im Ausland bald als stabile Währung galt.
Prager Groschen
Im Laufe der Jahre wuchs Wenzels II. Ansehen. Er soll eine besonders enge Beziehung zu Zittau gehabt haben, da er mit der in Zittau verlebten Zeit zufrieden gewesen sein soll.
Den Besitz seines Vaters in den Alpenländern konnte er nicht wiedererlangen. Sein Hauptaugenmerk richtete er auf die Markgrafschaft Meißen, das Pleißenland und besonders nach Polen. Durch einen Erbvertrag fiel ihm das Fürstentum Krakau seines kinderlos verstorbenen Cousins Heinrich IV. Probus zu. Damit konnte er alte böhmische Ansprüche auf die Herrschaft über Schlesien erneuern. In den Jahren 1291/92 eroberte er Krakau, Sandomierz, Großpolen und Pommern. Seinem wichtigsten Ziel, der Erlangung der polnischen Königskrone, kam er zunächst nicht näher. Als Kurfürst (seit 1289) war er auch einer der Hauptakteure in der Politik des Heiligen Römischen Reiches. So nahm er 1292 und 1298 Einfluss auf die deutschen Königswahlen. 1292 verhinderte er die Wahl Albrechts von Habsburg zum deutschen König, was ihm die erbitterte Feindschaft dessen einbrachte. Die römisch-deutschen Könige Rudolf I., Adolf von Nassau und Albrecht I. waren seine Lehnsherren. Der Reichtum und die Macht der böhmischen Krone ließ sie zu seinen Verhandlungspartnern und oft auch zu Gegnern werden.
König Wenzel II.
1295 wurde Herzog Przemyslaw II. in Großpolen und Pommerellen zum König gekrönt, wurde aber ein Jahr später ermordet. Nachfolger und Herzog wurde Wladyslaw Ellenlang. Dieser war verschuldet und verpflichtete sich 1299, gegen eine Geldzahlung dem König Wenzel II. den Lehnseid zu leisten, hielt sich jedoch nicht daran, weshalb Wenzel II. ihn 1300 ins Exil schickte. Damit wurde Wenzel II. Herrscher und Kurfürst in den Provinzen Großpolen, Pommerellen, Kujawien und Mittelpolen. Zur Machtdemonstration marschierte Wenzel II. mit einem Heer in Polen ein. Im August 1300 wurde Wenzel II. in Gnesen auch zum polnischen König gekrönt. Er führte eine Reihe von Verwaltungsreformen durch. Bis Ende 1300 blieb Wenzel II. in seinem polnischen Königreich, dann zog er nach Prag zurück und betrat Polen nie wieder.
Wenzel II. mit böhmischer und polnischer Krone / Abbildung aus dem Chronicon Aulae Regiae
Der Prager Hof blieb, wie schon bei seinem Vater, ein kulturelles Zentrum, besonders der zeitgenössischen deutschen Literatur. Wenzel II. verfasste selbst Verse, auch in Deutsch, komponierte und sang Minnelieder und holte andere bekannte Dichter und Minnesänger an den Hof.
König Wenzel II. von Böhmen als Minnesänger
Wenzel II. verfolgte kühne Pläne, wollte in Prag eine Universität gründen, was am Widerstand des böhmischen Adels scheiterte. Er förderte die Baukunst, gründete 1285 in Prag ein Augustiner-Eremiten-Kloster, ließ die dazu gehörige Kirche St. Thomas erbauen sowie andere kirchliche Bauten in verschiedenen Städten.
Die eigentliche Krönung zum König erfolgte nach mehreren Verschiebungen erst am 02.06.1297 in Prag im Rahmen eines Ritterfestes, was eine über mehrere Tage und kostspielige Festlichkeit war. Seit 1253, der Thronbesteigung Ottokars II., hatte Prag keine Krönung mehr erlebt. Am Prager Hof wurden wilde Feste gefeiert und eine Geliebte Wenzels namens Agnes gab den Ton an.
Initiale mit einer Miniatur Wenzels II. aus dem Chronicon Aulae Regiae
Auf diesem Fest entstand eine Verschwörung, u. a. auch mit Herzog Albrecht von Habsburg, in deren Ergebnis Adolf von Nassau als deutscher König abgesetzt wurde. Als Belohnung für die Unterstützung Albrechts wurden Wenzel II. die Ober- und die Niederlausitz, das Egerland, Meißen und das Pleißenland zugesprochen.
1301, als die Arpaden ausstarben, eroberte Wenzel II. Ungarn. Er setzte dort seinen Sohn Wenzel III. als König ein. Damit standen drei Königreiche – Böhmen, Polen, Ungarn – später das westslawische Königreich von der Ostsee bis zur Adria – unter dem Zepter der Premysliden, und Wenzel II. hatte den Zenit seiner Macht erreicht.
Die Premysliden – rechts König Wenzel II. mit 3 Kronen
Die Habsburger empfanden dies als bedrohlich und die ungarischen Magnaten begannen zu rebellieren, nachdem Papst Bonifaz VIII. öffentlich die Herrschaft der beiden Wenzels über Ungarn und Polen für ungesetzlich erklärte. Wenzel II. intervenierte 1304 Ungarn, um seinen Sohn Wenzel III. sicher nach Böhmen zurückzugeleiten. König Albrecht von Habsburg rückte mit seinen ungarischen Verbündeten in Böhmen ein, drangen bis Kuttenberg (Kutna Hora) als wichtigste Stadt Böhmens mit der Münzprägestätte vor, Wenzel II. schlug zurück und stellte die volle königliche Gewalt wieder her. 1304 verzichteten die Premysliden auf die ungarische Krone, um die polnische Krone zu retten. Die Friedensverhandlungen 1305 bereitete Wenzel II. noch vor, den Friedensschluss erlebte er aber nicht mehr.
17 Tage nach der Krönung, am 19.06.1297, starb seine erste Ehefrau, Königin Guta, in Prag an Erschöpfung in Folge der Geburt ihres zehnten Kindes. Die beiden hatten folgende gemeinsame Kinder:
- 1. Ottokar – geb. 06.05.1288, gest. 19.11.1288
- 2. Wenzel III. – geb. 06.10.1289, gest. 04.08.1306, und Zwillingsschwester
- 3. Agnes – geb. 06.10.1289, gest. 1293
- 4. Anna – geb. 15.10.1290, gest. 03.09.1313, Heirat am 13.02.1306 mit Heinrich VI. Herzog von Kärnten (geb. 1265/73, gest. 02.04.1335)
- 5. Elisabeth – geb. 20.01.1292, gest. 28.09.1330 in Prag, Heirat am 31.08.1310 mit Johann Graf von Luxemburg (geb. 10.08.1296, gest. 26.08.1346)
- 6. Judith – geb. 04.03.1293, gest. 03.08.1294
- 7. Johann I. – geb. 26.02.1294, gest. 01.03.1294
- 8. Johann II. – geb. 21.03.1295, gest. 06.12.1296
- 9. Margarete – geb. 09.02.1296, gest. 07./08.04.1322, Heirat 1308/10 mit Boleslaw III. Herzog von Schlesien-Liegnitz (geb. 23.3.1291, gest.21.4.1352)
- 10. Agnes – geb. vor/am 19.06.1297, gest. …, Heirat … Ruprecht VI. Graf von Nassau (geb. um 1280, gest. 02.11.1304)
Am 26.05.1300 verlobte sich Wenzel mit Elisabeth-Rixa (geb. um 1286/88, gest. 18.10.1335), einzige Tochter seines ehemaligen Rivalen, des polnischen Königs Przemyslaw II. Danach schickte er sie zu seiner Tante auf die Burg Budyne. Erst 1303 wurde die Ehe vollzogen und Rixa nahm den Namen Elisabeth an. Mit ihr hatte er eine Tochter
- 11. Agnes – geb. 15.06.1305, gest. 1336/04.01.1337, Heirat 1319 mit Heinrich I. Herzog von Schlesien-Schweidnitz-Jauer (geb.1292/96, gest.6.3./15.5.1346).
Außerdem hatte Wenzel noch einen illegitimen Sohn
- 12. Johann Wolek – gest. 1351, Bischof von Olmütz (1334 – 1351)
Sein Sohn Wenzel III. wurde am 04.08.1306 auf dem Weg nach Polen in Olmütz im Gebäude des Dekanats ermordet. Damit endete die über 400-jährige Dynastie der Premysliden. Gleichzeitig war damit die dynastische Union zwischen Polen und Böhmen beendet.
Im Herbst 1304 erkrankte Wenzel II. an Tuberkulose, die er sich aufgrund der Anstrengungen während des Feldzuges und der Rückreise aus Ungarn nach Prag im Frühjahr 1304 zugezogen hatte. Sein Krankenlager hatte er in Prag beim Goldschmied Konrad, weil seine Residenz in der Burg 1303 ausgebrannt war. Wenzel II. ordnete seine Angelegenheiten. Er übergab das Land Zittau als Afterlehen an Heinrich II., er bezahlte seine Schulden, versorgte seine zweite Ehefrau Rixa, gab einen Teil seines Vermögens der Kirche und den Armen und tat Buße.
König Wenzel II.
Wenzel II. starb am 21.06.1305 mit 34 Jahren in Prag. Sein Leib wurde mit dem Schiff in das Kloster Zbraslav gebracht und beigesetzt. Heilig gesprochen wurde er nicht.
König Wenzel II. wurde von Petrus de Zittavia (bedeutender Chronist, stammt aus dem Zittauer Land, war seit etwa 1300 Mönch im Kloster Zbraslav und von 1316 bis zu seinem Tod 1338/39 Abt) verehrt und als König mit außergewöhnlicher Gedächtnisleistung beschrieben, der sich einmal Gehörtes fester einprägen konnte als andere. Einerseits scheint es, dass Wenzel gerade in der Zeit auf der Burg Bezdez die Grundlagen seiner Bildung erworben hat und später noch engen Kontakt zu Otto IV. hatte. Wenzel sprach später fließend Deutsch und Latein, besaß Kenntnisse der Theologie, des Rechts und der Medizin. Lesen und Schreiben lernte er jedoch nicht. Andererseits wird berichtet, dass Wenzel auf der Burg Bezdez hungrig und zerlumpt in Elend gehalten wurde, er litt ständig Hunger und Kälte, selbst ausreichend Kleidung und Schuhwerk wurden ihm versagt. Aufgrund dessen war er ständig gesundheitlich geschwächt, cholerisch, zeigte grundlose Wutausbrüche, konnte sehr grausam sein, indem während seiner Herrschaft einige Köpfe rollten, war aber dennoch eigentlich gutmütig, klein von Wuchs mit krummen Beinen, von eher mädchenhaftem Aussehen und hatte Angst vor Katzen und Gewittern. Er lebte aber keinesfalls enthaltsam und war auch dem Alkoholgenuss nicht abgeneigt. An ein fröhliches Zechgelage 1302 erinnert heute noch bei Pardubice ein „Fröhlicher Berg“. Er bekam alle politischen, militärischen und kulturellen Interessen unter einen Hut und war einer der bedeutendsten Fürsten des Mittelalters.
Über den Prinzen und König Wenzel II. schrieb Christian Weise 1686 ein Theaterstück, ein Geschichtsdrama „Historie vom König Wenzel“. Der Inhalt des Stückes ist hier in der früher gebräuchlichen Wortwahl wiedergegeben: „Königs OTTOCARI in Böhmen hinterlaßener Sohn WENCESLAUS, wird in seiner zarten Kindheit von dem Marggrafen zu Brandenburg als Vormunden auffgehalten. Doch als er auff inständiges Begehren der Grossen im Lande wiederum geliefert wird / verbindet sich die verwittwete Mutter mit einem von Zabisch /und da sie wohl siehet / daß ihr kein andrer Weg zur Bestätigung des Königreiches offen stehet / als der Tod ihres Sohnes / werden viel Mittel ersonnen / diesen jungen Herrn um das Leben zu bringen. Allein die andern Landes-Stände mercken die List / und schaffen ihren künfftigen Trost heimlich fort. Und da hat eben die unlängst erbaute Stadt Zittau das Glücke / daß er daselbst auffgenommen / und auff einige Zeit versorget wird. Ob nun wohl unterschiedne List gebraucht wird / des Königes habhafte zu werden; So bricht doch letzlich die Untreu aus / die Königin wird mit ihrem Liebsten gefangen / der Anhang wird zerstreuet / und Wenceslaus wird mit Freuden nach Prage abgeholet / da er sich erkläret / der Stadt Zittau mit unsterblicher Königlicher Gnade beygethan zu verbleiben.“
Über König Wenzel II. wurde sogar ein zweistündiger Fernsehfilm „König Wenceslas“ (Fantasy, USA, 1994) gedreht und am 06.03.2011 auf Tele 5 gesendet. Darin ging es aber nur um seine erste Herrscherzeit, zu seinen Kinder- und letzten Jahren und seinem Familienleben wurde nichts gezeigt. Wer keinen Bezug zu diesem Thema hat, konnte diesem oberflächlichen Film nichts entnehmen.
Die Legende, dass Wenzel II. (geb. 17.09.1271, gest. 21.06.1305) im Haus Neustadt Nr. 35, so wie es heute aus Stein steht, gelebt haben soll, kann nicht stimmen, da es zu dessen Zeiten noch keine Wohnhäuser aus Stein gab. Als sich die Herren von Leipa, dann genannt die Herren von Zittau (die Brüder Castolov I., geb. 1216, gest. 1253, und Heinrich I., geb. 1219, gest. 1252), noch vor Wenzels Zeiten hier niederließen, bestanden ihre bescheidenen Hütten auf der Hofstatt aus Holz und Lehm. Nachdem die Familie von Leipa 1255 die Hofstatt aufgab, wurde damit begonnen, die Holzhütten abzureißen. Die Familie von Leipa (Smilo de Sittavia und dessen Söhne Heinrich II. und Chwalo) blieb in Zittau anwesend und baute wahrscheinlich an die gleichen Stellen wieder neue Hütten aus Holz und Lehm, denn erst im Jahr 1359 wurde bestimmt, die Häuser aus Stein zu bauen. Bei diesen „nachfolgenden“ Herren von Leipa wurde Wenzel II. untergebracht bzw. soll hier einige Zeit gelebt haben. In der Überlieferung kann nur gemeint sein, dass sich Wenzel II. nicht in dem Haus Nr. 35, sondern an dessen Stelle dort aufgehalten haben kann. Im Laufe der Zeit wurde von Erzählung zu Erzählung daraus die Geschichte, dass Wenzel II. im Haus Nr. 35 gelebt habe.
Im Treppenhaus des Hauses Nr. 35 ist die nachfolgende Zeichnung zu sehen, die wahrscheinlich laut der eingezeichneten Jahreszahl „1949“ aus diesem Jahr stammt. In der Mitte zwischen der 9 und der 4 steht der Großbuchstabe B, dessen Bedeutung im Moment nicht bekannt ist. Weiterhin gibt es die Inschriften „Haus zur Güldenen Krone“ und „Wenzel II. Koenig v. Boehmen wohnte hier in den Jahren 1278 – 83“. Dieses Bild stammt vom Tag des offenen Denkmals im Jahr 2008.
Um 1130 bis um 1500 war die Zeit der Gotik. Als die Häuser ab 1359 in Zittau nach und nach aus Stein gebaut wurden, wurde das erste steinerne Haus an der Stelle des Hauses Nr. 35 in gotischer Bauweise gebaut. Im 15. Jahrhundert entwickelte sich nach der Gotik die Renaissance (1420 – 1620). Im Grundbuchblatt 198 des Amtsgerichtes Zittau wurde das Haus Nr. 35 erstmals mit dem Jahr 1543 erwähnt. Aus der Spätrenaissance entwickelte sich des Barock und endete mit dem Spätbarock ca. 1700 – 1720. Daran schloss sich die Zeit des Rokoko von etwa 1710 – 1775 an.
Für die Gotik sind eine mächtige Raumhöhe und spitz zulaufende Bögen charakteristisch. Ehemals geschlossene Wände als Schutz gegen das „Böse“ von außen werden durch Fensterreichen durchbrochen. Es wird Helligkeit und großzügigere Raumaufteilung angestrebt.
Renaissance bedeutet „Wiedergeburt“ der (griechischen) Antike. Es wurde in deren klassischen strengen Formen, klar, überschaubar, harmonisch ausgewogen, auf Grundrissen mit einfachen, idealen, geometrischen Formen, wie Quadrat und Kreis, und Bauelementen wie Säulen, Pilaster, Kapitelle, Dreiecksgiebel gebaut. In zwei späteren Epochen der Renaissance wurden auch neue formensprachliche Elemente der mittelalterlichen Baukunst, ohne streng gesetzmäßige Bauweise, und gotische Motive benutzt und Grundrisse und Fassaden wurden oft asymmetrisch gebaut.
Der Begriff Barock stammt aus der portugiesischen Sprache, in der unregelmäßig geformte Perlen als „barrocco“, d. h. „schiefrund“ oder „merkwürdig“ bezeichnet wurden. Alle strengen Ordnungen der Renaissance wurden aufgelöst und schwingende, konkave und konvexe Formen, Kuppeln, Säulengruppen, Giebel und Fensterbekrönungen mit reichem ornamentalem Schmuck gebaut. Lichteffekte wurden genutzt. Es wurden zwar Formelemente der Renaissance übernommen, aber häufig in übersteigernder Weise präsentiert, um Reichtum und Bewegtheit auszudrücken. Für die römisch-katholische Kirche galt es, die Gläubigen durch die Entfaltung von Prunk und Pracht festzuhalten oder zurückzugewinnen. In Deutschland begann nach dem 30-jährigen Krieg eine rege Bautätigkeit. Vor allem im Süden Deutschlands entfaltete sich das Barock zu einer heiteren, bewegten Variante, und es entstanden prunkvolle, barocke Kirchenbauten, Schlösser und Adelshäuser. Die Kunst des Barocks war vor allem ein Ausdrucksmittel zur Selbstverherrlichung der absolutistischen Fürsten. Die Garten- und Stadtanlagen wurden geometrisch gestaltet.
Im Rokokobildeten verspielte, elegante, leichte, zierliche, gewundene Formen, rankenförmige Umrandungen und überbordende Verzierungen den Stil.
Das Haus Nr. 35 besaß vor dem jetzigen Aussehen aus der Barockzeit, wie es auf der ersten Seite zu sehen ist, eine andere Fassade. Jetzt befinden sich rechts neben der Haustür 4 schmale Fenster mit halbrunden Oberlichtern, und die Fenster der ersten und zweiten Etage haben oben halbrunde und verglaste Oberlichter.
Zuvor hatte es eine lange Zeit erhalten gebliebene, schön gegliederte Fassade aus der Rokokozeit mit 2 viereckigen, großen Fenstern rechts neben der Haustür, und die Fenster der beiden Etagen waren viereckig mit zugemauerten halbrunden Oberlichtern, so wie es auf dem folgenden Bild aus dem Jahr 1898 zu sehen ist.
links das Haus Neustadt Nr. 35 mit der Fassade aus dem Rokoko
Mit dieser Rokokofassade blieb es bis zum Jahr 1903 erhalten, bis es der damalige Besitzer, Heinrich Schmidt, erneuern und die Fassade wieder „barockisieren“ ließ und damit das heutige Aussehen mit den 4 halbrunden Fenstern neben der Tür erhielt.
Vor dem Haus steht der Schwanenbrunnen, der 1710 erbaut wurde.
Um 1546 war das Haus auch als „Das güldene Haus“, „Zwei-Kronen-Haus“, „Das königliche Haus“ und „Güldene Crohne“ bekannt. Ob die Bezeichnung „Güldene Crohne“ überhaupt etwas mit dem nicht sicher nachzuweisenden Aufenthalt von Wenzel in Zittau zu tun hat, erscheint zweifelhaft, zumal sie erst nach 1675 gebräuchlich war.
Die Häuser der Hofstatt besitzen alte Haustore von hohem Wert, besonders das des Hauses Nr. 35, an dem zwei Kronen zu sehen sind.
heutiger Türstock des Hauseinganges Nr. 35 mit 2 Kronenreliefs (eigenes Foto)
Zu den Kronen gibt es verschiedene Versionen:
Eine Krone wurde vielleicht schon am Haus angebracht, als es noch aus Holz bestand. Als Wenzel 1282 aus der Gefangenschaft des Markgrafen Otto IV. von Brandenburg befreit war und als junger König nach Prag zurückkehrte, wollten die Bürger der Stadt vielleicht eine Erinnerung daran haben, dass sich der König einst als Kind in der Stadt aufgehalten hat. Deshalb wurde das Haus zunächst mit einer vergoldeten Krone geschmückt, die in „neueren“ Jahren neu vergoldet wurde, und man bezeichnete das Haus als „Güldene Crohne“. Es ist weniger wahrscheinlich, dass eine Krone am Haus angebracht worden war, als Wenzel darin gelebt haben soll, denn sein Aufenthalt wurde von Otto IV. geheim gehalten. Die Krone wurde dann in den folgenden Zeiten an dem jeweils auf dieser Stelle nachfolgenden, neu errichteten Haus wieder angebracht.
Die goldene Krone könnte vielleicht auch angebracht worden sein, weil das Haus auch „Das königliche Haus“ genannt wurde, weil der Commendator darin wohnte. Ein Commendator ist eine treuhänderische Person, die kirchliche Pfründe an dritte Personen weitergibt. Pfründe ist aus dem Mittellateinischen praebenda, heißt Unterhalt, abgeleitet. Ein Pfrund bedeutete zunächst eine Schenkung und später das Einkommen aus einem weltlichen oder kirchlichen Amt, insbesondere die durch eine natürliche oder juristische Person gewährte Nahrung, Verköstigung oder Unterhaltszahlung. Als Pfrund wurde auch das selbständige Einkommen eines Amtsinhabers oder auch eine Abgabe zur Finanzierung dieses Amtes bezeichnet. Diese indirekte Finanzierung eines Amtes war im Mittelalter, vor der allgemeinen Durchsetzung der Geldwirtschaft, die einzig sinnvolle Möglichkeit der unabhängigen und langfristigen Finanzierung solcher Ämter. Pfründe wurden auch oft missbraucht, und nach und nach wurde eine direkte Besoldung der Amtsträger eingeführt.
Die geistlichen Ritterorden (z. B. Klöster der Ordensritter) nannten ihre Niederlassungen Kommende. Das waren Verwaltungseinheiten, die einem Komtur (mittellateinisch commendator, heißt „Befehlshaber“) unterstanden. Der Commendator übte alle Verwaltungsbefugnisse aus, beaufsichtigte die seiner Kommende unterstellten Vogteien und Zehnthöfte und war dem Bailli (Zusammenschluss von mehreren Ordensprovinzen) oder Landkomtur unterstellt. Eine Komturei hatte die Aufgaben, das Gut zu bewirtschaften, Gastfreundschaft gegenüber durchreisenden Ordensangehörigen zu gewähren, sie alimentierte Küster, Pfarrer und alle weltlichen und geistlichen Untergebenen des Komturs und vergab Almosen an Arme.
Ein solcher geistlicher Ritterorden war der Johanniterorden, ein Bettelorden, der sich im Herrendorf bei der Frauenkirche niederließ und eine Kommende, einen Komturhof, gründete.
Ein Bezug zu dem „königlichen Haus“ könnte damit hergestellt werden, dass so ein Komturhof den königlichen Hof mit versorgt hat.
Die Bezeichnung „Zwei-Kronen-Haus“ könnte daher stammen, dass eine zweite Krone zu der Zeit angebracht wurde, als König Wenzel II. von Böhmen auch König von Polen wurde.
Ab wann zwei Kronen zugleich am Haus waren, ist nicht bekannt, vielleicht erst, als an dieser Stelle das erste Haus aus Stein mit dem großen Türstock gebaut wurde.
„Das prächtige Portal schmückt eine Kartusche mit dem Wappen der bekannten Zittauer Patrizierfamilie Nesen, die das Gebäude bis 1566 besaß.“ Dieses ist vielleicht von den nachfolgenden Besitzern entfernt worden. Heute ist in der Mitte des Türstockes das „Scholtzische Wappen“ zu sehen. Vom 15.01.1602 bis 31.08.1617 war ein Peter Scholtze (auch Scholze) der Besitzer des Hauses. Er ließ das Haus nach dem verheerenden Stadtbrand am 07.06.1608 ab dem Jahr 1609 wieder neu aufbauen und versah es mit dem Wappen.
Das Haus Nr. 35 besaß um 1546 das Schlachtrecht und war bekannt als die „Alte Garküche“.
1268 verlieh Ottokar II. Zittau auch das Recht, Bier zu brauen. Das Bierbrauen entwickelte sich seit dem Anfang der Geschichte der Stadt zu einer der Haupterwerbsquellen. Zittauer Bier wurde weithin bekannt und berühmt, so in Schlesien, Ungarn, Wien und Prag.
Wasser war oft ungenießbar, deshalb trank man Bier. Man braute drei Arten von Bieren: Weizen- und Gerstenbier für den sofortigen Verbrauch und das Märzenbier, ein Lagerbier, das man den Sommer über ausschenkte. Das Braurecht besaß jeder Bürger der Stadt, doch konnten die weniger Begüterten mangels Geld und Lagerraum meist nicht genügend für den eigenen Bedarf brauen und musste den Reichen ihr Märzenbier abkaufen. So wollten die Bürger auch im Sommer brauen, was jedoch vom Rat wegen der Brandgefahr – fast alle Häuser waren damals aus Holz – verboten wurde.
Schon 1543 wurde im Haus Nr. 35, als es dem Tischler Matthes Ast gehörte, Bier gebraut. Es gab dafür Brauberechtigungen für vier Weizenbiere.
1566 gehörte das Haus Johann Nesen, der das Braurecht verkaufte.
1578 gehörte das Haus Michel Creutziger, der wahrscheinlich wieder das Braurecht erhielt, denn ab diesem Jahr war das Haus als Bierhof ausgewiesen. Es war ein Halbbierhof. Ein Halbbierhof war ein städtisches Wohnhaus, in dem vorwiegend die Handwerker Bier herstellten, jedoch mit der Einschränkung, dass sie nur die Hälfte der Biermenge der wohlhabenderen Bürgerschaft brauen durften.
Auf einem solchen Halbbierhof hafteten oft bis zur Ablösung als Deputat vier Klafter Forstholz, die früher 9/4, später 6/4 Ellen lang waren und den Besitzern alljährlich gegen Bezahlung des Schlagerlohnes vom Stadtrat verabreicht wurden. Bei einer Brandstelle verblieb das Holz im Wald und wurde dem Aufbauenden der Brandstelle nur in Natura oder in Geld gewährt.
Die Häuser wurden früher eher breit als hoch gebaut, was zur Folge hatte, dass mehrere Giebel aufgesetzt wurden. Letztere wurden öfters auch einzeln verkauft. Daraus ist zu erklären, dass viele Zittauer Häuser sehr schmal sind und sich aus einem Haus mehrere Häuser ergeben. Da die alten Zittauer Stadtbücher vernichtet wurden, ließen sich die Verkäufe nicht mehr exakt nachvollziehen und man muss hier wohl den Aufzeichnungen des ältesten Häuserverzeichnisses Glauben schenken. Darin sind die Häuser enthalten, die es vor 1757 gab. Die Häuserbesitzer wurden aus datenschutzrechtlichen Gründen nur bis zum Jahr 1900 und die Hausnummern von Stadtbibliothekaren bis in die heutige Zeit ergänzt.
Bis 1804 galten die Nummern in alten Schlossregistern, die gleichzeitig die Katasternummern bzw. Ortslistennummern darstellten. Danach wurden auf Befehl der Revisionskommission unter Leitung der Ratsherren Schwabe und Jeremias die ersten Hausnummern angeschlagen, seit dem wird auch von Hausnummern gesprochen. Vom Ingenieur Heinrich Adolph Buschbeck gibt es einen „Grundriss der Sechsstadt Zittau in der Oberlausitz 1808“, der die erstmals in Zittau vergebenen alten Hausnummern enthält. 1848 wurden abermals neue Katasternummern erstellt und seit Frühjahr 1876 kamen noch die Gassennummern hinzu. Bei Grundstückszusammenlegungen wurden bis 1830 die Hausnummerierungen nicht dokumentiert, so dass die Angaben vor 1830 durchaus abweichen können. Insgesamt sind 1830 in der Innenstadt 629 nummerierte Gebäude nachgewiesen.
Seit 1804 trägt das Haus Neustadt 35 diese Hausnummer, zuvor hatte es die Nr. 201.
Christian Weise
Links neben der Eingangstür des Hauses wurde eine kleine Gedenktafel mit der Inschrift „Renaissance-Wohnhaus der Familie Weise von 1650 bis 1675, später erneuert“ angebracht.
Vom 22.06.1650 bis 09.01.1675 war Elias Weise (geb. 08.07.1609 in Lichtenberg, gest. 13.04.1679 in Zittau) Eigentümer dieses Hauses. 1650 baute er das Haus um, was im 30-jährigen Krieg leer stand, und 1660 baute er es wieder neu auf.
Elias Weise war Pädagoge, Gymnasiallehrer, Tertius (Magister, Erzieher, Hilfslehrer) (Bezeichnung für die vierte Stufe der Dienststellung im Amt). 1665 erhielt er den Auftrag vom Rat der Stadt, die „Zittauische Bibliothec“ im Gewölbe der Klosterkirche neu zu ordnen.
„Elias Weise, Lichtenberg, ward im Schulcolegium erstlich an 15.04.1639 hernach an 20.02.1660 endlich als seiner Schularbeit erlassen den 17.01. und folgenden 13.04.1679 aus dieser Welt gefordert, nachdem er in die 40. Jahr bey dem Gymnasio treulich gearbeitet, und viel wackere Leute dem gemeinen Wesen zu Nutze, erzogen hatte.“ „Elias Weise, oder Albinus, Jacob Weisens eines Schmieds Sohn, studierte in Frankfurt, sollte sich in hiesige Schule zu einem Collaboratore bestellen lassen, als ihm aber das Jahr-Geld benennet wurde, hielte er solches vor einen Schimpff seiner Erudition, erwehlete darfür alles Ungemach, auf Reisen fremde Lande zu besehen, auszustehen, wie er denn auch that, da er in einem Jahre und 3 Wochen 1300 Meilen zu Fuß in Kummer, Sorge und Gefahr des Lebens durch Pohlen, Österreich, Ober- und Nieder-Teutschland, und Welschland gereiset. Als er nun wieder zu Hause kam, erhielt er das Pfarr-Dienst zu Hirschfelde an 1572 . starb an 1592. Er hat seine lächerliche und lustige Reise geschrieben hinterlassen, welche wegen ihrer solderlichen avantur n meritirte, dass sie curieusen Lesern durch den Druck mitgetheilet würde. M. Johann George Weise, ein Sohn des alten berühmten Schulmanns Flick Weisens, natus den 30. Junii an. 1644. ward Pfarr zu Waltersdorff an 1674. wid. Confignat. derer Pfarrer daselbst p. 3.c.4….9.“
Elias Weise war verheiratet mit Anna Weise, geb. Profelt (geb. nach 1614, gest. 17.12.1679 in Waltersdorf), eine Tochter eines lutherischen Predigers aus Böhmen. Mit ihr hatte er 6 Kinder:
- 1. Christian – geb. 30.04.1642 in Zittau, gest. 21.10.1708 in Zittau
- 2. Johann Georg – geb. 05.07.1643 in Zittau, gest. 12.11.1725 in Herwigsdorf
- 3. Anna Christina – geb. 31.05.1645 in Zittau, gest. 20.05.1711 in Zittau
- 4. Anna Regina – geb. 28.07.1648 in Zittau, gest. 11.05.1698 in Zittau
- 5. Elias – geb. 21.08.1650 in Zittau, gest. September 1688 in Zittau
- 6. Anna Dorothea – geb. 22.09.1652 in Zittau, gest. 06.04.1725 in Zittau
Der Sohn Christian wurde eine berühmte Zittauer Persönlichkeit.
Christian Weise war ein hervorragender Pädagoge, Vater der Zittauer Schulkomödien, Rhetoriker und die wohl markanteste Persönlichkeit, die Zittau je in ihren Mauern beherbergte. Unter der liebevollen Betreuung seiner Mutter und der sorgfältigen Erziehung seines Vaters gedieh der Knabe trotz seiner etwas schwächlichen Konstitution. Bald schon zeigte sich aber, dass Christian Weise den starken Geist und die Strebsamkeit von seinem Vater geerbt hatte. Schon frühzeitig übte sich der Junge in der lateinischen und griechischen Sprache, zeigte aber auch großes Interesse an seiner Muttersprache. Ab Michaelis 1648 besuchte der junge Christian die Schule. Am Zittauer Gymnasium erfuhr er nicht nur die sorgfältige Anleitung durch seinen Vater, sondern hatte in Christian Keimann, dem Rektor des Gymnasiums, einen verständnisvollen Lehrmeister, der die Begabung von Christian Weise erkannte und förderte. Keimann war es auch, der Weise bereits zum Gebrauch der deutschen Sprache anhielt und die Hinwendung zur Rhetorik förderte. Das Vorbild von Christian Keimann muss bei dem jungen Weise nachhaltigen Erfolg gehabt haben, war doch Keimann zur damaligen Zeit selbst einer der fortschrittlichsten Pädagogen seiner Zeit.
Im Jahr 1660 begann Christian Weise an der Leipziger Universität sein Studium der Theologie, hörte aber auch Vorlesungen über Geschichte, Poesie, Logik sowie Politik. Besonderen Wert legte er selbst auf die Vervollkommnung seiner Beredsamkeit. Schon im Jahr 1663 war Christian Weise Magister. Eine weitere Laufbahn an der Universität verdarb sich der junge Christian Weise allerdings durch seine freimütigen Reden, durch die er sich die Feindschaft des Theologieprofessors J. A. Schertzer zuzog.
Im Jahr 1668 wurde Christian Weise Sekretär beim Grafen von Leiningen zu Halle. Hier schrieb er auch eines seiner ersten Stücke, der „Politische Redner“. Später entstand hier auch sein „Kluger Hofmeister“. Im Jahr 1670 wurde Christian Weise Professor der Beredsamkeit und Dichtkunst am Gymnasium in Weißenfels und war für Rhetorik, Poesie und Politik zuständig. Seine modernen und lebendig gestalteten Vorlesungen waren bald sehr erfolgreich und seine Beliebtheit nahm ständig zu. Er veröffentlichte nun seine ersten Werke, die ihm nachhaltigen Erfolg brachten und ihn weithin bekannt machten.
Der Zittauer Rat wusste sehr wohl, welche Persönlichkeit Christian Weise war und bemühte sich daher, Weise nach Zittau zurück zu holen, als im Jahr 1678 die Stelle des Rektors am Gymnasium neu zu besetzen war. Christian Weise nahm diesen ehrenvollen Ruf mit Freude an und wurde am 19.07.1678 durch den Zittauer Bürgermeister D. Jentsch in sein Amt eingeführt.
Christian Weise um 1680
In sehr kurzer Zeit erreichte Weise auch hier große Erfolge als Rektor. Der gute Ruf Christian Weises lockte bald viele Schüler ans Zittauer Gymnasium, darunter auch viele Söhne des Adels. Es sollen an die 12.808 Schüler in seiner Wirkungszeit gewesen sein, darunter 1.709 auswärtige, die aus Schlesien, Ungarn, Böhmen, Brandenburg, Hannover und Braunschweig kamen. Mit Stolz nannten sich diese später noch „Weisianer“. Mit Christian Weise erlebte das Zittauer Gymnasium seine Blütezeit. Er besaß nicht nur die Gabe, einen lebendigen Unterreicht zu gestalten, der insbesondere praktisch war, sondern er war auch ein hervorragender Rhetoriker, dessen hohe Ausstrahlungskraft den Nerv der Schüler traf. Christian Weise gelang es, aus einer „alten Gelehrtenschule“ ein modernes Gymnasium zu gestalten, das die Erfordernisse der Zeit beachtete.
Christian Weise um 1690
Weise war aber nicht nur Pädagoge, sondern hat sich auch als Dichter einen Namen gemacht. Er schrieb 55 Theaterstücke, wovon er 30 veröffentlichte, 15 Dramentexte gingen früh verloren, 10 blieben als Manuskripte in der Christian-Weise-Bibliothek Zittau erhalten. Ab 1679 führte Weise mit seinen Schülern jährlich an drei Tagen jeweils drei Stücke auf, die alle in deutscher Sprache von ihm verfasst wurden. Insgesamt sind es über 50 Schulkomödien, u. a. „Die böse Katharina“ (1693), die „Historie vom König Wenzel“ (1686), das ein Höhepunkt unter den Geschichtsdramen und gleichzeitig eine Huldigung Weises an seine Vaterstadt Zittau und ihre Verbundenheit mit dem mittelalterlichen Böhmen ist, und insbesondere sein Stück „Masaniello“ (1682). Unter den biblischen Dramen ist der „Keusche Josef“ (1689) erwähnenswert, in dem Christian Weise die humoristischen Wendungen und Möglichkeiten, die dem ehrwürdigen Stoff aus dem Alten Testament innewohnen, entdeckt. Selbst Gotthold Ephraim Lessing zollte ihm später seine unverhohlene Anerkennung.
Weises Name verbindet sich aber auch mit der berühmten Zittauer Ratsbibliothek. Mit der Übernahme des Amtes am Zittauer Gymnasium als Rektor versah er zugleich auch die Bibliotheksgeschäfte, die er bis zu seinem Tode exakt ausführte. Unter ihm erhielt die Ratsbibliothek, die schon vor ihm einen beachtlichen Stellenwert hatte, überregionale Bedeutung. Der Bibliothek kamen nicht nur die weltmännischen Kenntnisse Weises zugute, sondern zugleich dessen literarische Fähigkeiten. In den letzten Jahren seines Lebens übernahm er eine ihm besonders am Herzen liegende Aufgabe: die Errichtung eines neuen und würdigen Bibliothekssaales für Zittau. Dieser Raum war der im zweiten Stockwerk des Heffterbaues gelegene Saal. Auf Weises Anregung hin begann der Zittauer Rat mit dessen Ausstattung. Die Einweihung des neuen Saales sollte Weise nicht mehr erleben.
Wegen seiner altersschwachen Augen musste er 1708 das Amt des Rektors aufgeben. Zittau hat er zu Lebzeiten kaum verlassen, bekannt sind lediglich Reisen nach Prag, Leipzig und Görlitz. Er verstarb am 21.10.1708 in Zittau.
Christian Weise um 1700
Christian Weise heiratete am 09.10.1671 seine erste Ehefrau Regina, geb. Arnold, Tochter eines Pastors. Der erste Sohn Christian starb kurz nach der Geburt am 13.10.1672. Der zweite Sohn Christian Elias wurde am 11.01.1674 geboren, starb aber auch früh, am 20.03.1674 an Pocken. Der dritte Sohn Johannes Elias kam am 04.05.1678 zur Welt, was aber seiner Frau Regina am 16.05.1678 das Leben kostete.
Am 19.06.1679 heiratete Christian Weise seine zweite Ehefrau Anna Regina, geb. Nesen, Tochter einer der reichsten und einflussreichsten Familien in Zittau. Am 23.04.1680 bekamen sie einen Sohn Christian Gottfried, der wiederum früh starb, am 22.07.1680. Durch diese Heirat gelangte er in den Besitz des heutigen „Dornspachhauses“, worin er bis zu seinem Tod lebte. Darin beherbergte er auch auswärtige Schüler wohlhabender Eltern als Pensionsgäste.
Christian Weises einziger überlebender Sohn Johannes Elias heiratete am 12.01.1706 Johanna Dorothea, geb. Thum. Er starb am 08.01.1709 und sie am 20.03.1709. Da diese Ehe kinderlos blieb, gibt es keine direkten Nachkommen Christian Weises.
Die Stadt Zittau erwies ihm die höchste Ehre, die an einen Bürger vergeben wurde. Er wurde in der alten Johanniskirche neben anderen hervorragenden Männern Zittaus bestattet. Noch heute ist die Zittauer Bibliothek, die seit 1954 Christian Weises Namen trägt, mit seinem ehrenden, aber auch verpflichtenden Namen eng verbunden. Das Erbe Christian Weises wird hier liebevoll und mit Stolz gepflegt. Die Christian-Weise-Straße und das seit 27.05.1993 so benannte Christian-Weise-Gymnasium zeugen noch heute von der hohen Wertschätzung, die ihm entgegengebracht wurde und wird. Am 12.06.1987 erwies Zittau seinem großen Sohn erneut eine Ehre. In den Anlagen des Grünen Ringes wurde eine Büste Christian Weises feierlich eingeweiht (folgendes Bild), deren Schöpfer der Bildhauer Johann Porsche (1931 – 1994) war.
1561 gehörte das Haus Nr. 35 Wilhelm Nesen (Bruder von Conrad Nesen). Diese Familie Nesen war eine berühmte Patrizierfamilie, in Zittau eine der reichsten und einflussreichsten Familien und besaß ein Familienwappen.
Conrad Nesen (auch Nesenus) (geb. um 1495 in Nastätten, gest. 25.06.1560 in Zittau) war ein „sehr helldenkender und gelehrter Mann“, ein „vortreflicher lateinischer Dichter, deutscher Humanist und Bürgermeister in Zittau. Er stammte aus bescheidenen Verhältnissen, sein Vater, tätig in der Landwirtschaft, konnte ihm und seinem Bruder Wilhelm ein Rechtsstudium 1519 an der Universität in Paris und später in Wittenberg finanzieren. Conrad Nesen wird von Philipp Melanchthon als Stadtphysikus nach Zittau empfohlen, war 1533 Stadtrat und erlebte hier einen Aufstieg bis 1541 zum Bürgermeister, vertrat die Interessen der Stadt auf dem Landtag in Prag und saß dort im Gremium. 1542 wurde er in den Adelsstand erhoben und half mit bei der Reformation in Kirchen und Schulen. Durch den Oberlausitzer Pönfall im August 1547 büßte er seine Tätigkeit beim Zittauer Rat ein, kam erst im Folgejahr wieder an diese Stelle und konnte verlorene Güter der Stadt wieder zurückführen. Er „stand an der Spitze der Deputation, welche die Stadt Zittau an den damaligen Königlichen Hof nach Prag sandte. Zittau ist ihm daher ein ewiges Andenken schuldig.“
Conrad Nesen „war ein vertrauter Freund von Melanchton Luther und Kammerarius. Er stammte aus dem Herzogthum Lützelburg, wo seine Familie noch im Jahr 1524 ein ansehnliches Landgut am Niederrhein besaß. Er stand bei den Kaisern Ferdinand I. und Maximilien II. in besondern Gnaden.“
„Er übte praktisch diejenigen Lehren, welche wohl erst 100 Jahre nach ihm ein Seckendorf und Puffendorf, als bisher zurückgehaltene Wahrheiten, der Welt in Schriften öffentlich bekannt machten, nämlich, dass ein Staat erst alsdann glücklich zu achten sey, wenn die geist- und weltliche Macht in den Händen des weltlichen Regenten zusammen verbunden wäre. Er brachte es daher durch sein eifriges Bestreben dahin, dass von dem Löblichen Johanniterorden dem Rathe in Zittau die geistliche Gerichtsbarkeit und Aufsicht über das Kirchen- und Schulwesen pfandweise abgetreten und damit sofort die Bahn gebrochen wurde, dass nachher im Jahre 1576 der Magistrat solche mittelst Kaufs für immer erhielt, Zittau aber die Evangelische Lehre ungestört in seinen Mauern aufblühen und die Aufsicht über die Kirchen und Schulen mit der Polizei im schwesterlichen Bunde vereiniget sehen konnte.
Nachkommen Conrad Nesens „bedienten sich der von ihm ererbten adelichen Vorrechte weiter nicht, sondern behielten blos das Familien-Wappen bei.“
Conrad Nesen hatte einen Sohn Christoph Nesen „auf“ Radgendorf, Rathsskabin u. Kirchenvorsteher. Dieser wiederum hatte einen Sohn Johann Nesen „auf“ Poritsch, Bürgermeister Zittau. Johann Nesen bekam einen Sohn Gottfried Nesen, Stadtrichter. Gottfried Nesen bekam mit seiner Frau Anne Regine, geb. Kießlingin, einen Sohn Johann Wilhelm Nesen, geb. 08.10.1645 in Zittau. Mit Christian Friedrich Nesen, Steuerdeputierter in Zittau, der 1793 unverheiratet starb, ist der männliche Stamm dieser Familie erloschen.
Johann Wilhelm Nesen besaß gut „natürliche Fähigkeiten zur Nachahmung“, hatte eine „sorgfältige Erziehung und Ausbildung“, er ging auf das Gymnasium in Zittau, 1669 – 1673 zu den Universitäten Jena und Strasburg und studierte „neben der Philosophie und den schönen Wissenschaften vorzüglich der Rechtsgelehrsamkeit mit rühmlichen Fleiße“, „hatte sich hauptsächlich zum praktischen Juristen gebildet, und betrat bei seiner Zurückkunft in seine Vaterstadt das Forum mit Glück und Beifall, daher der Rath ihn, als einen sehr brauchbaren Geschäftsmann, im Jahr 1684 an der Rathschür als letzten Senator in sein Kollegium aufnahm. Er stieg nunmehr von einer Stuffe zur andern, wurde im Jahr 1691 Skabinus, 1698 Gerichtsbeisitzer, 1700 aber Stadtrichter, wo er 4mal das Präsidium führte, und endlich im Dezember 1708 nach des Bürgermeister Chr. Kapses Tode, Bürgermeister, wo er sogleich das Direktorium zum ersten und an der Thür im Monat August 1710 zum andernmale überkam, jedoch solches nicht zu Ende brachte, sondern am 8. Mai 1711 durch einen unvermutheten Schlagfluss aus dieser Zeitlichkeit im 66sten Jahre seines Alters abgefordert und in die Ewigkeit versetzt wurde, zum großen Bedauern der Stadt, die ihn ungern verlohr. Er hatte mit seinem Ältervater, Christoph Nesen, nach 100 Jahren einigermaaßen gleiche Schicksale, indem letzterer an der Rathschür 1584, in eben diese letzte Stelle des Rathsstuhls gesetzt wurde, im Jahr 1591 aber in den Schöppenstuhl aufrückte.“
Ab 24.08.1566 war Johann Nesen (Enkel von Conrad Nesen) der Eigentümer des Hauses. Er verkaufte das Braurecht. Er war 1608 Kanzelist im Appellationsgericht in Prag und 1625 Bürgermeister in Zittau.
In Zittau erinnert an diese Familie der Nesenplatz zwischen der Tongasse und der Eisenbahnstraße.
Ab 15.01.1602 war Peter Scholtze (auch Scholze) Eigentümer des Hauses Nr. 35. Nach dem großen Brand 1608 ließ er es 1609 neu aufbauen und brachte das Scholtzische Wappen über der Tür an. Am 19.10.1584 wurde er Unterstadtschreiber, 1604 Stadtrat, 1611 Scabiner (Schöffe), 1616 „außer den Rath gelassen“ und starb am 02.05.1620 mit 64 an einem „Schlagfluß“.
Ab 10.10.1624 war David Rodochs Eigentümer des Hauses. Am 17.01.1633 wurde er Bauschreiber und in diesem Jahr auch Baudirektor. Im Dreißigjährigen Krieg, am 14.07.1634, wurde er erschossen. Dieser Familie gehörten an George Rodochs, 1502 Stadtrat, 1514 Stadtrichter, 1508 Bürgermeister, 1537 gestorben; Johann Rodochs, 1545 Stadtrat, 1562 Stadtrichter, 1566 gestorben; ein Herr Rodochs, 1568 Stadtrat, 1582 Stadtrichter, 1585 Bürgermeister, 1603 gestorben; D. Nicolaus Rodochs, 1601 Stadtrat, 1612 Stadtrichter, 1617 gestorben; Gottfried Rodochs, Schuster, 1663 Stadtrat, 1675 Stadtrichter, 1684 Bürgermeister. Er heiratete 1646 Anna Rosina Rodochs (geb. 31.01.1629 in Reichenberg, gest. 30.01.1668 in Zittau), er starb 1679. Zur Anna Rosina Rodochs gibt es an der Ostseite des Nordanbaus der Johanniskirche, früher auf dem Altarplatz, ein Denkmal, aus Sandstein, 99 cm breit, 190 cm hoch, mit vertiefter Inschrift in Schreiberzügen.
Bei einem Brand am 05.08.1589 an der alten Johanniskirche wurde die große Glocke durch einen Riss beschädigt, so dass sie nur noch mit einem Klöppel von außen angeschlagen werden konnte. Zu Weihnachten 1590 zersprang sie und wurde am 19.11.1591 stückweise vom Turm herabgelassen (62 Zentner und 4 Pfund). Sie wurde vom Dresdner Glockengießer Martin Hilliger umgegossen und um 6 Zentner auf 68 Zentner vergrößert. Auf einer dazu angefertigten, kleinen Tafel wurde geschrieben: „Dieses der Frömmigkeit geweihte Werk möge Gott erhalten und beschützen. Geschehen unter dem Konsulat der edlen und weisen Herren Augustinus von Kohl Bürgermeister, David Rodoch, Michael Kroft Ratsherren, Mag. Procop Naso Syndicus.“
Ab 09.01.1675 war Christian Thum (geb. 17.10.1635, gest. 1679) Eigentümer des Hauses. Er war Senator, Gotteskasten-Vorsteher und 1672 Stadtrat. Er führte zur Almosenverteilung kleine bleierne Zeichen wieder ein, die wirklich bedürftig und würdig bestimmte Arme zu tragen hatten und sie damit leicht von „Betrügern“ zu unterscheiden waren.
Er war verehelicht mit Catharina Eliesabeth, geb. von Oelßnitz, die wohl nach siebenjähriger Ehe verstarb. Danach heiratete er Dorothea Magdalena, geb. Raschin v. Rysenburg.
In einer alten Schrift steht: „Der weyland Wohl-Edle, Beste, Hochgelahrte, Hochweise Herr Christian Thum, JCtus vornehmer Herr des Raths, und bey denen Kurfürstlichen Sächsichen Justitien Aemtern zu Bautzen und Görlitz, Advokat Ordinarius, so gebohren den 17. Okt. Anno 1635, in heil. Ehestand getreten, und darinnen friedlich, jedoch ohne einigen Ehe Seegen zugebracht, I. mit Tot. Tit. damals Jungfer Catharina Eliesabeth geb. von Oelßnitz, 7. Jahr 7. Wochen II. Tot. Tit. Jungfer Dorothea Magdalena geb. Raschin von Riesenburg 4 Jahr 43 Wochen. gestorben den 17. Oktober 1679, nachdem er gelebt 44 Jahr 4 Wochen 3 Tage.“
Nach dem Tod von Christian Thum heiratete Dorothea Magdalena wieder und nahm den Namen Kaps an. Sie erwarb dann das Haus Nr. 35 im Jahr 1685.
Wahrscheinlich heiratete sie in die Familie Kaps ein, in der Alexander Kaps 1624 der Eigentümer des Hauses war. Familienmitglieder waren: Gottfried Kaps, Bäcker, 1623 Kanzleibeamter, Notarii, Oberstadtschreiber, 1625 Stadtrat, 1632 Bürgermeister, Stadtrichter, 1639 gestorben; Christian Kaps, geb. 1685 in Zittau, Fleischer, 1706/08 gestorben; Peter Kaps, Apotheker, 1584 Stadtrat, 1585 Stadtrichter, 1600 Bürgermeister, 1604 gestorben.
Ab 21.03.1687 war Heinrich Johann Leupold Eigentümer des Hauses, geb. 1653 in Schleiz, gest. 1720 in Zittau. Er wurde in Zittau erzogen, war sehr gewandt und leutselig. 1685 war er Gerichts-Actuarii (Gerichtsaktuar = Zweiter Amtsrichter), 1698 Oberstadtschreiber, 1704 Ratsherr, 1718 Bürgermeister und wurde beigesetzt in der Kreuzkirche.
Ab 13.05.1850 war der Eigentümer des Hauses Carl August Caspar, ein Maurermeister und Ziegeleibesitzer. Er baute das Haus 1860 wieder neu auf.
Für ihn fertigte Carl Gottlob Morawek nach Auftrag eine Chronik zum Haus an.
Liste der Hauseigentümer:
- um 1279 Prinz Wenzel II., der Sohn des Königs Ottokar II., soll sich in diesem Haus aufgehalten haben, was nicht urkundlich belegt ist. (Quelle: Handbuch der Geschichte, Teil 2)
- (1543) Laut Grundbuchblatt Nr. 198 war der (erste?) Eigentümer ein Matthes Ast, Tischler.
- 1546 Eigentümer Matthes Hoppe
- … Eigentümer Michael Heller
- ab 1546 Garküche, bekannt als „Alte Garküche“ und weiter bekannt als „Das güldene Haus“, „Zwei-Kronen-Haus“, „Das königliche Haus“ und „Güldene Crohne“
- 1561 Eigentümer Matthes Eichler von Hirschfelde Der Name Eichler könnte auch als Eifler geschrieben worden sein, da es keine einheitliche Rechtschreibung gab.
- 1561 Eigentümer Caspar Eichler (oder auch Eifler)
- 1561 Eigentümer Wilhelm Nesen gekauft für 940 ZM (Zittauer Mark)
- 24.08.1566 Eigentümer Johann Nesen gekauft für 700 ZM, verkaufte das Baurecht
- 29.11.1570 Eigentümer Johann (oder Hans) Hoffmeister (Hans Hofmeister?), gekauft für 600 ZM
- (1578) 1576? Eigentümer Michel Creutziger jun. (Michael Creuziger?)
- 15.01.1602 Eigentümer Peter Scholtze (Scholze) gekauft für 260 ZM
- 1609 Nach dem großen Brand im Jahr 1608 hat es Peter Scholtze neu aufgebaut und das Scholtzische Wappen über der Tür angebracht.
- 01.09.1617 Eigentümer Christoph Heffter gekauft für 510 ZM
- 16.05.1618 Eigentümer David Jähne durch Tausch Er wurde 1622 vor Glatz als Infanterieleutnant erschossen.
- 1618 – 1648 Während des Dreißigjährigen Krieges (1618 – 1648) stand es leer und verfiel in einen wüsten Zustand.
- 14.12.1623 Eigentümer Melchior (Christoph) Hopstock gekauft für 447 ZM Er war der Enkel des Bürgermeisters Martin Hopstock (1527-1613). Am 06.03.1645 ist er als Kaiserlicher Cornet (Fähnrich) vor Jankau (60 Kilometer südöstlich vor Prag) in einer der letzten großen Schlachten des Dreißigjährigen Krieges (1618 – 1648) gefallen.
- 05.07.1624 Eigentümer Alexander Kaps gekauft für 380 ZM
- 10.10.1624 Eigentümer David Rodochs gekauft für 450 ZM
- 05.07.1627 Eigentümer Christian Schaffhirt (Schafhirt?) (Oberweber) gekauft für 575 ZM
- 22.06.1650 Eigentümer Elias Weise (Pädagoge und Lehrer) gekauft für 70 ZM 1650 baute er es um, da es im 30-jährigen Krieg leer stand, 1660 baute er das Haus neu auf seit 1675 bekannt als „Güldene Crohne“, „Das Zwei-Kronen-Haus“ oder „Das königliche Haus“ (weil der Commendator darin gewohnt hat)
- 09.01.1675 Eigentümer Christian Thum (Senator) gekauft für 1.000 ZM
- 1685 Eigentümerin Dorothea Magdalena Kaps, geb. Rosche (Raschin von Rysenburg?) geerbt
- 21.03.1687 Eigentümer Heinrich Johann Leupold gekauft für 1.200 ZM
- … Eigentümer Heinrich Georg Leupold (Scabinus)
- 24.04.1722 Eigentümer Johann Gottfried (M.?) Häntschel (Pastor primarius) per Testament
- … Eigentümerin Christiane Eleonore Häntschel, geb. Möller (Witwe)
- 19.11.1755 Eigentümer Carl Gottlob Walde (Schneider) gekauft für 1.125 RT (Reichstaler)
- 31.01.1794 Eigentümer Johann Gotthelf Neumann gekauft für 1.100 RT Er war bekannt als „Schachtelneumann“, da er in seinem Laden alles in Schachteln aufbewahrte.
- … Eigentümer Neumann – Erben
- 24.07.1807 Eigentümer Carl Gotthelf Neumann
- 21.07.1808 Eigentümer Johann Heinrich August Piersig (Restaurateur)
- 27.04.1836 Eigentümer Gustav Heinrich Piersig
- 13.05.1850 Eigentümer Carl August Caspar (Maurermeister und Ziegeleibesitzer) 1860 baute er das Haus wieder neu auf
- 1896 – 1905 Eigentümer Robert Alwin Schmidt Privatier
- 1903 Eigentümer Heinrich Schmidt (?)
- 1906 – 1914 Eigentümer Johann August Mieth gekauft für 41.000 M Uhrmacher
- 1915 – 1923 keine Adressbücher vorhanden
- 1924 – 1925 Eigentümer Heidrich Hutexport
- 1926 – 1938 Eigentümer Alwin Weber (Kaufmann Bijouteriewaren, Schmuck, Warnsdorf)
Liste der Bewohner des Hauses
(P = Parterre, Eg = Erdgeschoss, I – III = Etagen, Hh = Hinterhaus)
- 21.03.1687
Leupold, Heinrich Johann, Gerichtsaktuar - … Leupold, Heinrich Georg, Scabinus
- 24.04.1722
Häntschel, Johann Gottfried, Pastor primarius - … Häntschel, Christiane Eleonore, geb. Möller (Witwe)
- 19.11.1755
Walde, Carl Gottlob, Schneider - 31.01.1794
Neumann, Johann Gotthelf - … Neumann (Erben)
- 24.07.1807
Neumann, Carl Gotthelf - 21.07.1808
Piersig, Johann Heinrich August, Restaurateur - 27.04.1836
Piersig, Gustav Heinrich - 13.05.1850
Caspar, Carl August (Maurer) - Ostern 1880
Caspar, Carl August, Maurermeister und Ziegeleibesitzer
Kießler verw. H.S. Rentiere - 1883
Caspar, Carl August – siehe oben
Caspar, Hermann – Architekt
Rothmaler, Alb. – Postkassierer - 1886/87
Caspar, Carl August, Maurermmeister und Ziegeleibesitzer
Richter, Ernst Ferdinand – Privatier
Richter, Emil – Commis. - 1888/89
I: Caspar, Carl August, Maurermeister und Ziegeleibesitzer
P: Schnerr, Carl – Grenzaufseher
II: Richter, Ernst-Ferdinand – Privatier
Richter, Emil – Commis. - 1890/91
I: Caspar, Carl August, Maurermeister und Ziegeleibesitzer
P: Apelt, Ernst Louis, Unternehmer für Gas- und Wasseranlagen, Helbig, A. F. – Agentur und Proppergeschäft
HhP: Apelt & Walter – Werkstatt für Gas- und Wasseranlagen - 1892/93
I: Caspar, Carl August, Maurermeister und Ziegeleibesitzer
P: Stoll, Wilhelm – Bürstenmachermeister
II: Meister, Klara – Privatier - 1894/95
I: Caspar, Carl August, Maurermeister und Ziegeleibesitzer
P: Baumgart, Karl – Lohnfuhrwerksbesitzer
II: Lucan, Hedwig – Kaufmannswitwe - 1896/97
I: Schmidt, Alwin – Privatier
P: Baumgart, Karl – Lohnfuhrwerksbesitzer Mathes, Bruno, Expeditions-Hilfsarbeiter a.d. Staatsbahn (bis 30.09.1896)
II: Lucan, Hedwig – Kaufmannswitwe - 1898/99
Schmidt, Alwin – Privat. (f. Am Park 24)
P: Thiemer, Marie – Privata Thiemer, Ottilie – Privata
II: Lucan, Hedwig – Kaufmannswitwe - 1900/01
I: Mieth, Johann – Uhrmacher
P: Tietze, Ernst – Kanzlist
I: Wurzler – Musiker
II: Lucan, Hedwig – Kaufmannswitwe
III: Alst, Marie – verehl. – Bedienung
HhP: Baumgart, Karl – Lohnfuhrwerksbesitzer - 1902/03
I: Mieth, Johann – Uhrmacher
P: Tietze, Ernst – Kanzlist
I: Geisler, Paul – Lohnfuhrwerksbesitzer
I: Lucan, Hedwig – Kaufmannswitwe
III: Wende, Paul – Klempner
HhP: Steltzer, Bernhard – Tapezierer
I: Höfler, Hugo – Bereiter - 1904/05
I: Mieth, Johann – Uhrmacher
P: Verwaltungsstelle der Gewerblichen Ortskrankenkasse, Helbig, A. F. – Agentur und Proppergeschäft
HhP: Apelt & Walter, Werkstatt für Gas- und Wasseranlagen
I: Lucan, Hedwig – Kaufmannswitwe
III: Wehlt, Hermann – Arbeiter
HhI: Dierig, Karl – Tischler
II: Theilig, Bertha verw. geb. Umann - 1906
Mieth, Johann – Uhrmacher (f. Klosterstr. 4)
PI: Landmann, Fr. – Blumenfabrik
P: Verwaltungsstelle der Gewerblichen Ortskrankenkasse
II: Lucan, Hedwig – Kaufmannswitwe
III: Schwarzer, A. – Arbeiter
HhI: Dierig, Karl – Tischler
II: Mierdel, Gustav – Lohnkellner und Hochzeitsbitter - 1907/08
Mieth, Johann – Uhrmacher (f. Klosterstr. 4)
P: Verwaltungsstelle der Gewerblichen Ortskrankenkasse
Lorenz, Rob. (vorm. Frdr. Landmann), Blumenfabrik (v. 1./9.07. ab Moltkestr. Eingang Kaiserstr.)
I: Holdgrün, Karl – Friseur, Walter, Alfred – Tischler
II: Gottschling, Gustav – gew. Gastwirt
III: Schwarzer, A. – Arbeiter - 1909/10
Mieth, Johann – Uhrmacher (f. Klosterstr. 4)
P: Verwaltsstelle der Gewerblichen Ortskrankenkasse
(bis 30.09. ab 01.10.09 Theaterstraße 34, P.)
I: Holdgrün, Karl – Friseur
II: Gottschling, Gustav – gew. Gastwirt
III: Schwarzer, A. – Arbeiter
HhI: Kopke, Johann – Kutscher - 1911/12
Mieth, Johann – Uhrmacher (f. Klosterstr. 4)
P: Mitter, Oswald – Polsterer u. Dekorateur, Wohnungseinrichtungen
I: Glausch, Franziska – Naturheilkundige
II: Gocht, Ernestine – verw.
III: Schwarzer, A. – Arbeiter - 19013/14 Mieth,
Johann – Uhrmacher (f. Klosterstr. 4)
P: Mitter, Oswald – Polsterer und Dekorateur; Spezialität: Wohnungseinrichtungen
I: Glausch, Franziska – Naturheilkundige
II: Gocht, Ernestine – verw.
III: Schwarzer, A. – Arbeiter - 1924
EG: Heidrich – Hutexport
I: Gocht – Naturheilkundige
II: Gocht – Witwe
III: Brachvogel – Fabrikarbeiterin - 1926
Weber, Alwin und Richard – Warnsdorf
EG: Wanke – Korbwarenerzeugung
I: Gocht Olga
II: Gocht – Witwe – Private Kluge – Schokoladen- und Tabakgroßhandel, Höfer – Bäcker
III: Brachvogel – Witwe – Arbeit. - 1928
Weber, Alwin und Richard – Warnsdorf
EG: Wanke – Korbwarengeschäft und -erzeugung, Bartsch – Fridologin – Naturheilkundige, Micken – Bautechniker
II: Gocht, Ernestine, Kluge – Großhändler
III: Brachvogel, Emma - 1930/31
Weber, Alwin und Richard – Warnsdorf
EG: Merek – Korbwarenlager, Mann & Zinnecker – elektrische Anlagen
I: Gocht – Private, Mickan – Bautechniker, Strietzel – Kaufmann, Bartsch, Marg. – Homöopath. Praxis
II: Gocht – Witwe Kluge – Süß- und Tabakwarengroßhandel
III: Brachvogel – Witwe – Bedien. Ludwig – Lagerhalter - 1933
EG: Weber, Alwin – Kaufmann
I: Gocht, Olga – Private, Mickan, Hermann – Baumeister – Büro für Architektur und Bauausführung, Graupner, Walter – Baumeister
II: Bartsch, Albert – Drogist, Bartsch, Marg. – Naturheilkundige
III: Brachvogel, Emma – Witwe - 1935
I: Weber, Alwin – Kaufmann
EG: Barta & Schubert – Mechan. Kleiderfabrik
I: Gocht – Private, Mickan – Baumeister, Graupner – Baumeister
II: Bartsch – Heilpraktikerin Bartsch – Student, von Scheidt – Kaufmann
III: Brachvogel – Rentnerin, Brachvogel – Bäcker - 1938
II: Weber, Alwin – Bjouteriewaren (Schmuckgegenstände)
EG: Barta & Schubert – Mech. Kleiderfabrikation
I: Gocht, Olga – Private, Mickan, Hermann – Baumeister
II: Bartsch, Marg. – Heilpraktikerin, Dienel, Berta
III: Brachvogel, Emma – Witwe, Brachvogel, Karl – Schlosser
Der Stadtbrand 1608
In Zittau gab es verheerende Stadtbrände, wovon einige, der Vollständigkeit halber, nachfolgend beschrieben werden, die auch die Neustadt und das Haus Nr. 35 betrafen.
Am 03.04.1359 wütet der erste große Stadtbrand in Zittau. Nur ein reichliches Jahrhundert besteht die Stadt so, wie sie unter König Ottokar II. angelegt wurde. Die hölzernen Bebauungen mit Strohdächern, Holzschindeln und offenen Kaminen brennen fast völlig ab. Der Landesherr, Kaiser Karl IV., bewilligte für drei Jahre lang Steuererlass und befahl, man solle künftig „in Stein“ bauen. Später wurden die Holzhäuser der Hofstatt durch Steinhäuser ersetzt.
Am 04.05.1372, in der „Kreuzwoche“, brennt Zittau wieder und „nam unczelichen schaden beide an steynen und an hulczin husirn, grosir den vormalz vin keynem vure gescheen war“ („nahm unzähligen Schaden an steinernen und hölzernen Häusern, größer wie es vormals bei keinem Feuer geschah“.
Am 29.05.1453 ist die Kirche „zu unserer lieben Frauen“ (Frauenkirche) samt der Neustadt abgebrannt.
Am 22.07.1473 entstand an der Ostseite der Neustadt, Kugelzipfel genannt, im Haus des Fleischers Oßwaldt Jobsten (heutige Sparkasse), ein großer Brand. „Eine untreue und boshafte Magd“ sollte unterm Kessel Feuer machen, was ihr zunächst nicht gelang. Sie wurde dann so aufgebracht, dass sie eine Unmenge Holz auflegte und das Feuer so groß wurde, dass es auf das Haus übergriff. Der Brand breitete sich auch auf die Hofstatt aus. In diesem Jahr war ein so heißer Sommer, „daß sich die Bäume selbst anzündeten“. Es wurde das „dürre Jahr“ genannt.
Eine abgebrannte Stelle in der Stadt nannte man Brandstelle. Als solche ist die Hofstatt „nachgehends lange Zeit wüste liegen blieben“. Die Hofstatt wurde damit zu einer Baustelle, wobei das durch den Abriss von Häusern gewonnene Gestein zur Erweiterung des Kirchleins St. Niclas und zum Bau des Klosters genutzt wurde. Circa 70 Jahre später entstanden an diesen Stellen wieder neue Häuser aus Stein. Zumindest war der erste Eintrag im Grundbuchblatt Nr. 198 von 1543, wonach ein Matthes Ast, ein Tischler, der Eigentümer des Hauses Nr. 201, jetzt Nr. 35, war.
Am 07.06.1608, nach einem sehr heißen und trockenen Mai, brach in verschiedenen Stadtteilen fast gleichzeitig Feuer aus, und innerhalb von 3 Stunden verbrannten 500 Häuser, darunter 84 Bierhöfe. Besonders wüteten die Flammen auch in der Neustadt, am Markt, in der Spür- und Fleischergasse. Das Haus Nr. 35 wurde nachweisbar in der alten Häuserchronik beschädigt. Der Wiederaufbau der Stadt ging erstaunlich schnell. Kaiser Rudolf II. erließ er den Zittauern für 9 Jahre Steuern und Zölle. Die dadurch eingesparten Gelder wurden an die Geschädigten verteilt, und sie erhielten aus den reichen städtischen Forstrevieren insgesamt 22.000 Stämme als Bauholz. Noch vor Wintereinbruch waren rund drei Viertel der Brandstellen verschwunden.
Stadtbrand am 07.06.1608
Den schwersten Schicksalsschlag erlebte Zittau am 23.07.1757 während des 7jähr. Krieges. Die Preußen, als Angreifer des Krieges zu sehen, erlitten eine Niederlage gegen die Österreicher. Die Preußen wollten auf der Flucht die im Zittauer Marstall lagernden Lebensmittelvorräte an sich bringen. Die preußische Nachhut suchte hinter den Stadtmauern Schutz. Am 20.07.1757 rückte die österreichische Hauptarmee an und ein Teil der Preußen flüchteten in Richtung Löbau. Der Rest der Preußen wurde seinem Schicksal überlassen. Die Österreicher brachten inzwischen ihre Artillerie auf dem Frauenkirchhof und Sauplan in Stellung. Die Österreicher forderten die Preußen auf, sich zu ergeben, was sie aber ablehnten, worauf hin um 9.00 Uhr eine einstündige Beschießung erfolgte, die nur wenig Schaden anrichtete. Am folgenden Tag, 23.07.1757, lehnten die Preußen die Kapitulation wiederum ab, und es ging ein solches Bombardement auf Zittau nieder, dass sich die Betroffenen nach dem biblischen Sodom und Gomora versetzt glaubten. Zuerst fing der Gasthof „Zum Goldenen Stern“ auf der Neustadt Feuer und wenige Minuten später 8 weitere Stellen. Drei Viertel der einst so viel gerühmten „Reichen“ lagen in Trümmern und ca. 500 Menschen fanden den Tod. Unersetzliche Werte sind vernichtet worden, darunter das gesamte Stadtarchiv. In ganz Mitteleuropa sammelte man Geld, um Zittau zu helfen. Wiederum hatten sich vor allem der große Grundbesitz und das Leinen als schier unerschöpfliche Quellen Zittauer Wirtschaftskraft erwiesen.
Nach diesem Brand, wobei das Haus Neustadt Nr. 35 nicht beschädigt wurde, wurde es völlig eingebaut.
Schlusswort
Diese Ausführungen sind noch lange nicht erschöpfend. Um Zeitabschnitte und Begriffe aus vergangenen Zeiten richtig zu verstehen, muss man recht ausschweifende Recherchen in der Geschichte anstellen. So kommt man automatisch von einer Frage auf die nächste, wobei man doch auf einige Widersprüche im bereits von anderen Personen niedergeschriebenen Geschichtsstoff stößt. Es würde sich lohnen, weitere Erkundigungen zum Haus, zu dessen Eigentümern und Bewohnern einzuholen, was aufgrund der Kürze der Zeit jetzt nicht mehr möglich war.
Quellenangaben:
- „Geschichte der Oberlausitz“ Herrschaft, Gesellschaft und Kultur vom Mittelalter bis zum Ende des 20. Jahrhunderts, Joachim Bahlcke, Leipziger Universitätsverlag 2001
- „Zittavia oder Zittau in seiner Vergangenheit und Gegenwart“, 1848/49
- „Handbuch der Geschichte, 1837“
- „Analecta Fastorum Zittaviensium, oder Historischer Schauplatz der löblichen alten Sechs-Stadt des Marggraffthums Ober-Lausitz, 5 Teile in 1 Band, 1716“, Johann Benedict Carpzov III, 25.10.1675 Dresden – 08.09.1739 Wittenberg
- „Berühmte Persönlichkeiten der Oberlausitz (Band 1)“, Ingrid Seltmann, Oberlausitzer Verlag, 2009
- „Christian Weise – Broschüre zum 290. Todestag aus Christian-Weise-Bibliothek Zittau, Altbestand, Uwe Kahl, 1998“
- „Geschichte von Zittau, Band I“
- „Carpzov“, Band I
- „Häuserchronik der Stadt Zittau innerhalb des Grünen Ringes für den Zeitraum bis 1900“, Tino Fröde, Olbersdorf, 2008
- „Adressbücher der Stadt Zittau“, ab Ostern 1880 – 1938, Christian-Weise-Bibliothek, Heimatgeschichtlicher und wissenschaftlicher Altbestand, Lisa-Tetzner-Str. 11, 02763 Zittau
- „Zittau, so wie es war“ von Volker Dudeck, 1993
- „Geschichte der Oberlausitz“ Herrschaft, Gesellschaft und Kultur vom Mittelalter bis zum Ende des 20. Jahrhunderts, Joachim Bahlcke, Leipziger Universitätsverlag, 2001
- „Sachsen-Reiseführer, Oberlausitz, Zittau, Stadtgeschichte“, Internet
- „Zittau – Enzyklopädie“ PlusPedia
- „Lehnswesen“ Wikipedia
- „Zittauer Stadtgeschichte“, Firefox
- Heftchen aus Stadtarchiv „Chronik Stadt Zittau“ von Stadtverwaltung Zittau, 2005
- „Zeittafel Böhmen, Mähren und Österreich-Schlesien“, Zeitabschnitt 1228/30, Mozilla Firefox
- „Duernkrut3“, Wikimedia, Firefox
- „Sachsen-Reiseführer“ Oberlausitz, Zittau, Stadtgeschichte, Firefox
- „Lexikon des Mittelalters“, Wikipedia
- „Der Zittauer Ring, Phantasievoller Städtebau des 19. Jahrhunderts, Kunstwerk Stadt“, von Volker Dudeck u. Jos Tomlow, Verlag Gunter Oettel Görlitz – Zittau, 2000
- „Die Oberlausitz und der Sechstädtebund“, Manfred Durand, Oberlausitzer Verlag, 1991
- „Stadtmauer“, Wikipedia
- „Zittau“, Wikipedia
- „Christian-Weise-Pfad“, Wikipedia
- „Zittauer Geschichtsblätter“, Heft 3/1999, Städtische Museen Zittau,
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